Ab Januar diskutiert der Moderator vor der “Tagesschau“ eine halbe Stunde live mit Gästen. Seine Themen: “Der ganz alltägliche Wahnsinn“.

Mainz. Es ist vollbracht: Nach Günther Jauch, 55, wechselt nun auch Thomas Gottschalk, 61, zur ARD. Dort wird er ein tägliches, interaktives Magazin moderieren. Gottschalk will es noch einmal wissen. Er setzt alles auf Risiko und hat sich nach seinem selbst bestimmten Abschied von "Wetten, dass..?" tatsächlich für die ARD als neuen Arbeitgeber entschieden.

Es ist ein Wagnis. Beim ZDF, wo er noch unter Vertrag ist, hatte man dem Entertainer ein Rundum-sorglos-Paket angeboten. Mindestens sechs Primetime-Shows im Jahr, die der TV-Dino routiniert aus dem Ärmel hätte schütteln können, ohne seinem Anwesen im kalifornischen Malibu oder dem Schloss am Rhein, wo er mit seiner Frau Thea, 61, residiert, allzu lange fernbleiben zu müssen. Der Entertainer wählte den Fulltime-Job. Und die volle Aufmerksamkeit. Das passt zu Gottschalk, dem Besessenen - er braucht das.

Im Ersten wird er nun von Januar 2012 an viermal die Woche vor der "Tagesschau" eine halbstündige Livesendung moderieren. Die Entscheidung Gottschalks ist im Himalaja-Urlaub gefallen. Ein Studiopublikum wird es nicht geben, wenn er sich mit prominenten Gästen aus Lifestyle und Kultur sowie Experten mit den unterhaltsamen Themen des Tages beschäftigt. "Der Ernst des Lebens gehört in die 'Tagesschau'. Es gibt ja Gott sei Dank neben Politik, Seuchen und Finanzkrisen auch noch den ganz normalen täglichen Wahnsinn. Und für den bin ich in Zukunft zuständig", kommentiert Gottschalk seinen neuen Job. Zuschauer sollen sich über Twitter, Facebook oder Skype an den Diskussionen beteiligen.

Thommy 2.0: Gottschalk selbst soll Ideen für dieses neue Konzept aus den USA mitgebracht haben. Die Produktion der neuen Gottschalk-Show wird Grundy Light Entertainment ("Das Supertalent", "DSDS") übernehmen. Für den Peter Pan des Showgeschäfts ist es wohl das letzte große Engagement im deutschen Fernsehen. Es ist ein medialer Paukenschlag - egal wie es ausgeht. Und es ist ein Weg zurück, zu den Anfängen seiner Karriere. Gottschalk selbst erinnert der neue Auftrag an seine Anfangszeit beim Radio in der ARD: "Immerhin habe ich insgesamt mindestens zehn Jahre meines Lebens täglich vor dem Mikrofon gesessen."

Auf dem Mainzer Lerchenberg, wo derweil intensiv die Nachfolge Gottschalks bei "Wetten, dass..?" diskutiert wird und Hape Kerkeling, 46, als heißester Kandidat gilt, bedauert man den Wechsel. ARD-Vorsitzende Monika Piel, Programmdirektor Volker Herres und MDR-Intendant Udo Reiter haben wochenlang um Gottschalks Gunst gebuhlt. Nicht nur, um sich beim ZDF dafür zu revanchieren, dass ihnen Allzweckwaffe Jörg Pilawa, 45, weggeschnappt wurde: Mit dem neuen Goldjungen Gottschalk hat man nun die Hoffnung, den quotenschwachen ARD-Vorabend retten zu können.

Für den Sender ist es der nächste spektakuläre Coup in einer Zeit, in der er mit einer teuren Neuverpflichtung nach der anderen aufwartet und mit Vorliebe bei anderen Sendern Shoppen geht: Kai Pflaume, 44, wurde Sat.1 abgeworben, Matthias Opdenhövel, 40, kehrte Stefan Raab, 44, und ProSieben den Rücken. Die kostenintensivste Investition ist dabei sicherlich RTL-Schwergewicht Günther Jauch, der ab September im Ersten als Nachfolger von Anne Will, 45, den Polittalk-Sendeplatz am Sonntagabend besetzt. 10,5 Millionen Euro pro Staffel soll sich die Sendeanstalt diese Verpflichtung kosten lassen. Wohl kaum mit weniger wird sich Gottschalk abspeisen lassen.

Als "kostenneutral" bezeichnet Piel, Intendantin des federführenden WDR, intern den Transfer. Über die genaue Finanzierung möchte man sich nicht äußern, allerdings betont der Sender, dass das neue Format im werbefinanzierten Vorabendprogramm (zwischen 18 und 20 Uhr) stattfinden wird. Und dass die Werbeeinnahmen steigen, wenn einer wie Gottschalk täglich zum Talk lädt, davon ist auszugehen.

Ob Gottschalk auch inhaltlich überzeugen wird, bleibt abzuwarten. Immerhin zählten die Plaudereien mit den Gästen nicht zu seinen Stärken bei "Wetten, dass..?". Außerdem fielen diverse Shows, die Gottschalk in den vergangenen Jahren neben seinem Sonnabendabend-Klassiker ausprobierte, beim Publikum durch. Auch die Einbindung von Twitter und Facebook klingt im Zusammenhang mit der in Social-Media-Angelegenheiten nicht gerade innovativen Anstalt etwas befremdlich - könnte aber die Zukunft des Fernsehens sein. Gottschalks Mut, statt in ZDF-Frührente zu gehen, noch einmal auf die Oprah Winfrey der ARD zu machen, könnte belohnt werden.