Das berühmteste Pferderennen der Welt feiert seinen 300. Geburtstag. Im britischen Ascot geht es um Sport, aber noch viel mehr um Mode.

London. Mit manchen Hüten ist es so wie mit einem schlimmen Missgeschick: Man möchte wegschauen, kann aber irgendwie nicht. Nirgendwo ist dieses Phänomen besser studierbar als beim berühmtesten Pferderennen der Welt im britischen Ascot.

300 Jahre wird dieses sportliche Ereignis in diesem Jahr alt und fast genauso lange gibt es die Tradition, an den Renntagen seine schönsten Kopfbedeckungen auszuführen. Die dritte Woche im Juni ist fest eingeplant im Terminkalender der britischen Gesellschaft. Ein billiges Vergnügen ist der Besuch allerdings nicht. Eintrittskarten kosten je nach Renntag zwischen 100 und 600 Pfund, pro Person versteht sich. Ganz zu schweigen von den Preisen für die Outfits, die häufig Maßanfertigungen sind. An allen Tagen stehen die Pferderennen, das ein oder andere Gläschen Champagner und natürlich die Mode im Vordergrund. Höhepunkt der königlichen Renntage ist aber jedes Jahr der Donnerstag. Zwar ist es nicht der höchstdotierte Renntag in Ascot (das ist der Mittwoch mit dem mit 400 000 Pfund dotierten Prinz-von-Wales-Preis), aber der Tag des "Gold Cup" gilt inoffiziell als der "Lady's Day". Dann stehen die schnellen Vollblüter nicht mehr ganz so im Vordergrund. Die sogenannte Fashion Crowd nimmt Ascot in Besitz. Und natürlich steht der Hut im Zentrum des ganzen Zirkus.

Dabei sind der Fantasie und der britischen Exzentrik keine Grenzen gesetzt. Ob Billardtische in Miniaturformat, Pistolen, Kuchen, Vogelkäfige oder rosa Wolken - kaum etwas wurde noch nicht auf dem Kopf einiger Damen über den Rennplatz getragen. In diesem Jahr fand sich, ganz dem Zeitgeist entsprechend, ein iPad auf dem Kopf einer Besucherin. Selbst die Queen, 85, scheut sich nicht, aufzufallen. Die Frage nach der Farbe ihres Hutes ist einträgliches Geschäft für die Buchmacher.

Eingebrockt hat den Briten das ganze Hut-Theater einer der berühmtesten Vertreter des Dandytums, Beau Brummell. Als enger Freund und Berater des damaligen Prinzregenten verpasste er Ascot um 1800 eine zeitgemäße Kleiderordnung, die grundsätzlich so immer noch gilt. Demnach müssen die Herren im "Morning Dress" und die Damen in "respektabler Kleidung und mit Hut" erscheinen. Der Hut ist immer noch ein "Must" in Ascot, mit der respektablen Kleidung gibt es zunehmend Probleme. Die Röcke der weiblichen Besucher werden immer kürzer, die Ausschnitte tiefer. Dabei lenkt das doch nur von dem eigentlichen "Höhepunkt", dem Rennen, ab. Brummell hätte die ganze zur Schau getragene Dramatik auf dem Kopf sicher gefallen. Galt er seinen Zeitgenossen doch selbst als ausgemachter Trendsetter und besonders sein Aussehen scheint ihm nicht ganz gleichgültig gewesen zu sein. Seine Stiefel ließ er angeblich mit Champagner polieren und außerdem soll der Dandy gleich drei Friseure beschäftigt haben: einen für den Hinterkopf, einen für die Stirn und einen für die Seiten. Brummell sorgte dafür, dass auf der Insel die Perücke aus der Mode kam und der Hut das neue It-Accessoire wurde.

In diesem Jahr ist der Trend auf der Rennbahn eindeutig. Man trägt Hut, natürlich, am besten mit einem blumigen Motiv. Hauptsache, etwas erblüht auf dem Kopf. Farblich ist die Dame mit Pink-, Nude- oder Brombeertönen auf der sicheren Seite. Mit Federn, Puscheln oder Perlen outet man sich schnell als wenig modisch bewandert.

Berühmt-berüchtigt ist Anneka Tanaka-Svenska. Sie erschien mit einem mehr als einen Meter großen Geflecht aus Kunsthaar, Perlen und Blumen auf dem Haupt - und kam leicht ins Schwanken. "Es ist ein bisschen schwierig zu tragen, aber ich war früher Balletttänzerin", sagte sie tapfer. Vor Jahren erschien eine Dame sogar mit einer Nachbildung der Oper von Sydney auf dem Kopf.