LONDON. Britische Gesellschaftshistoriker notieren einen kleinen, aber bedeutsamen sozialen Meilenstein, der sich im Festzelt der Queen ereignete: Erstmals in der 300-jährigen Geschichte des Pferderennens Ascot konnten sich Normalbürger ihren Weg ins königliche Areal erkaufen.

Einst benötigte man ausgezeichnete Beziehungen, um es durch den scharf bewachten Eingang auf diesen Teil der Loge zu schaffen. Doch beim diesjährigen Rennen musste man "nur" umgerechnet 1100 Euro für ein fünfgängiges Menü mit Hummer und Champagner hinlegen. "Der Everest für soziale Aufsteiger ist zu einem sanften Hügelchen geworden", spottet ein Historiker.

Für Stammgäste wie die Queen (81), die mit Ehemann Prinz Philip (86), Sohn Charles (58) und Herzogin Camilla (59) erschien, war die seismische soziale Reform jedoch von weniger Interesse als die allgegenwärtige Frage: Hat Ascot seinen Charme verloren? Nach einem 18 Monate langen, 320 Millionen Euro teuren Umbau 2006 hatten die Besucher über lange Schlangen und Gedränge geklagt. Und - oh Schreck - die königliche Tribüne hatte einen so hohen Zaun, dass die Königin kaum drübersehen konnte. Viele schworen entsetzt, nie zurückzukehren.

Jetzt fanden sich dennoch 40 000 Wettfreunde ein - 15 000 weniger als 2006. Und obwohl die Tribüne der Queen inzwischen ihrer Größe angepasst wurde, klagten viele, dass dem neuen Ascot aus Stahl und Glas die Eleganz fehle. "Es ist, als würde man in einem Flughafen sein", sagt der Verleger John Madejski. "Ich mag sentimental sein, aber dieses Gebäude hat keinen Stil." In Ascot hat, so flüstert man, das Gewöhnliche Einzug gehalten. Selbst die Hüte der Ladys schienen diesmal weniger ausgefallen zu sein . . .