79 verdächtige Maschinen des älteren Typs 737-300 waren kontrolliert worden. US-Behörde kündigt schärfere Inspektionen weltweit an.

New York. In Hunderten älterer Flugzeuge vom Typ Boeing 737 drohen Risse in der Außenhaut. „Das kommt nicht komplett unerwartet“, sagte der verantwortliche Konzernmanager Paul Richter am Dienstag in einer Telefonkonferenz. „Wir haben grundsätzlich damit gerechnet, dass wir die Flugzeuge ab einem bestimmten Zeitpunkt kontrollieren müssen.“ Allerdings sei Boeing davon ausgegangen, dass sich eine Ermüdung des Materials erst „viel, viel später im Lebensverlauf“ der Kurz- und Mittelstreckenmaschinen zeige.

Am Freitag hatte eine 15 Jahre alte 737-300 des US-Billigfliegers Southwest notlanden müssen, nachdem sich mit einem lauten Knall ein Loch im Dach aufgetan hatte. Wie durch ein Wunder wurde keiner der 123 Insassen ernsthaft verletzt. Southwest kontrollierte daraufhin alle ähnlichen Maschinen und stellte bei insgesamt fünf betagteren 737-Jets winzige Risse in der Außenhülle fest.

Schwachstelle sind nach Erkenntnissen von Boeing die Schnittkanten, an denen die verwendeten Aluminiumplatten aufeinander treffen. Bislang habe Boeing keine speziellen Prüfungen vorgeschrieben, räumte Richter ein. „Vor diesem Unfall war unser Plan, mit den Inspektionen bei 60 000 Flügen zu beginnen.“ Keine der jetzt untersuchten Maschinen habe auch nur annähernd eine derart hohe Flugleistung.

Die Unglücksmaschine von Southwest hatte nach Angaben der Gesellschaft knapp 40 000 der strapaziösen Starts und Landungen hinter sich. Durch den unterschiedlichen Druck am Boden und in großen Höhen verformt sich das Material, besonders die Nähte leiden. Schon früher und bei anderen Flugzeug-Typen war es deshalb zu Unglücken gekommen. Klafft erst ein Loch, drohen die Insassen hinausgesogen zu werden.

Nach Angaben des Boeing-Managers müssen insgesamt 570 Flugzeuge der 737-Baureihe weltweit überprüft werden. Die US-Luftfahrtbehörde FAA hatte noch von 175 Maschinen gesprochen. Problematisch sind diverse 737-Typen der alten, sogenannten „Classic“-Baureihe aus den Jahren 1993 bis 2000. Hier war ein neuartiges Verfahren zur Befestigung der Aluplatten eingesetzt worden, wie Richter sagte.

Die Maschinen sollten nach 30 000 Flügen zur Inspektion, erklärte der Manager und setzte damit die gleiche Marke wie die US-Luftfahrtbehörde. Danach empfiehlt Boeing alle 500 Flüge eine Nachkontrolle, zumindest bis auf Weiteres.

Auch die Lufthansa hatte drei verdächtige 737 auf Risse untersucht, jedoch nach Angaben eines Sprechers vom Dienstag nichts gefunden. Die zweite große deutsche Linie, Air Berlin, fliegt nur neuere Versionen des meistverkauften Flugzeugs der Welt. „Bei den Modellen der Next Generation, das kann ich ihnen versichern, gibt es keine Probleme“, sagte Richter. Das Material verwinde sich dank anderer Techniken viel weniger.

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Boeing 737: Lufthansa musste drei Maschinen überprüfen

Der schockierende Vorfall in einer fliegenden Boeing 737 führt auch zu Überprüfungen in der Lufthansa-Flugzeugflotte. Jedoch müssten bei der größten europäischen Fluggesellschaft nur drei der insgesamt 63 eingesetzten Boeing 737 kontrolliert werden, sagte ein Lufthansa-Sprecher am Dienstag in Frankfurt. Die geringe Zahl ergebe sich aus Vorgaben, die Boeing den 737-Käufern mache. Vergangenen Freitag war über den USA in gut zehn Kilometern Höhe das Dach einer 737 der Southwest Airlines anderthalb Meter lang aufgerissen - den Piloten glückte die sichere Notlandung.

Anhand entsprechender Prüfhinweise des US-Herstellers Boeing hat die Kranichlinie eigenen Angaben zufolge nur drei Maschinen ausgemacht, die baugleich mit dem Pannenflieger und daher verdächtig sind. „Die haben wir noch am Sonntag untersuchen lassen - ohne Befund“, sagte der Sprecher. Am Montagabend habe Boeing aber noch einmal neue „Händlerempfehlungen“ für weitere Untersuchungen ausgegeben, die wieder nur jene drei Maschinen betreffen. Lufthansa werde sie daher erneut kontrollieren. Das laufe während der Wartezeiten, wenn die Maschinen sowieso am Boden sind, und beeinträchtige den Flugverkehr daher nicht.

Nach Loch im Dach: Alte Boeing 737 müssen zur Inspektion

Bei allen drei zu überprüfenden Lufthansa-Flugzeugen handelt es sich dem Sprecher zufolge um den Typ 737-300, obwohl theoretisch auch der kleinere Schwesterntyp 737-500 infrage kommen könnte. Ob ein Flieger kontrolliert werden muss, hänge von Seriennummern ab. Dafür gebe Boeing eindeutige Vorgaben, die sowohl Kontingente des Typs 737-300 als auch 737-500 umfassen. Wonach die Techniker genau suchen - etwa nach Materialermüdung oder möglichen Konstruktionsfehlern -, wollte der Sprecher aber nicht sagen und verwies auf den Hersteller.

Die 737 gilt als das meistverkaufte Passagierflugzeug der Welt. Der Typ 737-300 ist seit 1986 bei der Kranich-Linie im Einsatz. Der Flieger fasst bis zu 140 Fluggäste und fliegt bis zu 2000 Kilometer weit - das ist ungefähr die Entfernung von Kiel nach Madrid.

Wie US-Behörden und Passagiere des Pannenfliegers berichteten, wurde bei dem schweren Vorfall wie durch ein Wunder keiner der 123 Insassen ernsthaft verletzt. Den Piloten gelang trotz des großen Lochs im Flugzeugdach und dem Druckabfall die Notlandung auf einem Militärflugplatz in der Wüste Arizonas. Am Wochenende wurden dann bei drei weiteren Southwest-Maschinen feine Risse in der Hülle entdeckt.

Germanwings und Air Berlin nicht betroffen

Die Panne bei einer Boeing 737 in den USA und die angeordnete Überprüfung des Flugzeugtyps haben dagegen keine Auswirkungen auf die Fluglinien Air Berlin und Germanwings. Die betroffene Baureihe und Maschinen dieses Alters gebe es in der Air-Berlin-Flotte nicht, sagte eine Sprecherin der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft am Dienstag. Air Berlin betreibt insgesamt 169 Jets, das Durchschnittsalter liegt nach Unternehmensangaben bei fünf Jahren.

Germanwings betonte, keine Maschine diesen Typs in der eigenen Flotte zu haben. „Wir haben nur Flugzeuge von Airbus, keine einzige Boeing 737“, sagte eine Germanwings-Sprecherin am Dienstag in Köln. Für Germanwings bestehe kein Handlungsbedarf. (dpa)