Nach der Bluttat in Bayern blieben 30 Vernehmungen ohne Ergebnis. Der Mörder ging äusserst brutal vor, um ein Sexualdelikt handelt es sich offenbar nicht.

Krailling. Am Montag waren Chiara, 8, und Sharon, 11, mit ihrer Mutter noch bei einem Casting in München gewesen. Die Schwestern hatten sich für einen Trickfilm als Synchronsprecherinnen beworben, schreibt die Münchner "Abendzeitung". Die Freude war groß, als sie die Rollen tatsächlich bekamen. Nun sind die Kinder tot.

Der Mord an den beiden Mädchen im oberbayerischen Krailling im Landkreis Starnberg war offenbar kein Sexualverbrechen. Die Obduktion habe keine Anhaltspunkte für einen derartigen Hintergrund der Tat ergeben, erklärte die Polizei am Freitag in München. An beiden Tatopfern seien jedoch "vielfältige Gewalteinwirkungen verschiedener Art" festgestellt worden. Auch ein am Tatort gefundenes Messer sei dabei offenbar verwendet worden, hieß es. Die Kinder hatten Stichverletzungen im Hals- und Brustbereich.

Die zum Tatort gerufenen Polizeibeamten hatten noch eine Reanimation der Schwestern begonnen, "um nichts unversucht zu lassen", wie Kraus sagte. Die Rettungskräfte konnten kurz darauf aber nur noch den Tod der Mädchen feststellen. Der genaue Todeszeitpunkt war bei der Obduktion nicht festzustellen.

Die Mutter der Schülerinnen, Anette S., 41, hatte die Wohnung der Polizei zufolge am Abend vor den Morden gegen 22.30 Uhr verlassen. Sie war in die knapp 100 Meter entfernte Gaststätte "Schabernack" ihres 52 Jahre alten Lebensgefährten Klaus P. gegangen, wo an diesem Tag eine private Feier stattfand. Anette S. half dort gelegentlich als Kellnerin aus. Laut Polizeiangaben besuchten das Fest im Laufe des Abends rund 50 Personen. Gegen ein Uhr habe die Gaststätte dann geschlossen. Gegen 4.40 Uhr machte sich die Mutter zusammen mit ihrem Lebensgefährten wieder auf den Heimweg.

Zu Hause der Schock: Die Mädchen lagen leblos in der Wohnung im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses - jedes in seinem Zimmer. Bislang fand die Polizei am Tatort keine Einbruchsspuren. "Die Haustüre war nicht versperrt und von außen mit einem Drehknopf zu öffnen", sagte der Leiter der Mordkommission, Markus Kraus. Die Mutter hatte wie immer, wenn sie arbeiten ging und die Kinder zu Hause blieben, nicht abgesperrt - im Brandfall hätten Chiara und Sharon so fliehen können, meinte sie. "Sie müssen nur den Drehknopf der Tür betätigen, dann sind Sie drin", sagte Kraus. Dies machte sich der Täter offenbar zunutze.

Die Polizei vernahm bisher etwa 30 Personen, unter ihnen auch den Vater der Mädchen. Sven G. lebt schon seit Jahren von der Mutter getrennt, hat eine eigene Familie. Er soll sich nach Angaben von Anwohnern aber um die Töchter gekümmert haben. Zur Tatzeit war er angeblich in Hamburg. Offenbar war die familiäre Situation von Anette S., auch nach Einschätzung von Bekannten und Nachbarn, intakt: Zum Vater der Mädchen hatte sie demnach ein entspanntes Verhältnis. Auch die Beziehung zu ihrem momentanen Lebensgefährten war in Ordnung. In dem 8300-Seelen-Ort ist man sicher, aus der Familie kann niemand der Mörder sein.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen zweifachen Mordes aufgenommen. Der Polizei zufolge wird in alle Richtungen ermittelt, bisher gebe es noch keinen Tatverdächtigen. Die Ermittler haben inzwischen eine Sonderkommission eingerichtet. Sie trägt den Namen "Margarete" nach der Straße, in der das Verbrechen geschah. Das Bayerische Landeskriminalamt hat für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, eine Belohnung in Höhe von 5000 Euro ausgesetzt.

Die Menschen in dem ruhigen Münchner Vorort stehen unter Schock. "Die Nachricht hat sich im Ort wie ein Lauffeuer verbreitet", erklärte die evangelische Pfarrerin Katarina Freisleder am Freitag. Unter den Bürgern der kleinen Gemeinde herrsche eine "große Betroffenheit". In der Grundschule der Kinder sei am Freitag ein Kriseninterventionsteam eingesetzt und eine Trauerecke eingerichtet worden, in der die Kinder ihre Gedanken zum Tod der Mitschülerinnen formulieren können. Zudem sei geplant, so schnell wie möglich eine ökumenische Gedenkfeier zu organisieren.