Ein Jahr nach dem Erdbeben begannen in Haiti die Gedenkveranstaltungen. Die politische Instabilität macht den Wiederaufbau schwierig.

Port-au-Prince/Brüssel. Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti ist in dem verarmten Karibikstaat immer noch kein Ende der Misere in Sicht. Vor allem die politische Instabilität nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl Ende November erschwere die internationale Hilfe, erklärte die Europäische Union am Dienstag. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen hat zudem die Cholera-Epidemie ihren Höhepunkt noch nicht erreicht.

In Haiti begannen am Dienstag die zweitätigen Gedenkveranstaltungen. Zum Auftakt besuchten Regierungsvertreter ein Massengrab am Rande der Hauptstadt Port-au-Prince, in dem viele der Opfer bestattet wurden. Höhepunkt ist am Mittwoch eine Messe in den Ruinen der beim Beben eingestürzten Kathedrale von Port-au-Prince, gefolgt von einer landesweiten Schweigeminute um 16.53 Uhr Ortszeit - dem Zeitpunkt des Bebens vor einem Jahr.

Durch den Erdstoß wurden mehr als 225.000 Menschen getötet; 2,3 Millionen Menschen wurden obdachlos. Die Bemühungen beim Wiederaufbau müssten „enorm beschleunigt“ werden, sagte die Sprecherin des Uno-Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA), Elisabeth Byrs. Es gebe noch Arbeit von „Monaten, wenn nicht gar Jahren“.

EU-Außenministerin Catherine Ashton und die für Entwicklung und humanitäre Hilfe zuständigen Kommissare Andris Piebalgs und Kristalina Georgieva zeigten sich in Brüssel in „großer Sorge“ über die Lage in dem Karibikstaat. „Die derzeitige Instabilität verhindert, dass die humanitäre Hilfe der EU bei den Bedürftigen ankommt, und verlangsamt und erschwert den Wiederaufbauprozess“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Nach EU-Angaben sagten Kommission und Mitgliedstaaten vergangenes Jahr knapp 1,3 Milliarden Euro für den Wiederaufbau zu. Ein Teil davon wurde bereits ausgegeben. Hinzu kam Soforthilfe etwa für Zelte und Medikamente, für die allein die Kommission 120 Millionen Euro bereitstellte. Dennoch sei die Lage „bei weitem noch nicht zufriedenstellend“ und habe sich unter anderem wegen der Cholera-Epidemie in mancherlei Hinsicht „sogar noch verschlechtert“.

Die Zusammenarbeit mit den haitianischen Behörden sei nur möglich, wenn „Stabilität und eine funktionierende Demokratie im Land gewährleistet sind“, hieß es weiter. Ashton, Piebalgs und Georgieva forderten Haiti auf, dafür zu sorgen, dass die Stichwahl um die Präsidentschaft frei und transparent ablaufen müsse. Der erste Durchgang war von Zwischenfällen und Betrugsvorwürfen überschattet worden. Der Termin für die Stichwahl steht noch nicht fest.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kommt nach Angaben eines Uno-Diplomaten in einem noch unveröffentlichten Experten-Bericht zur Neuauszählung der Stimmen zu dem Schluss, dass sich der Regierungskandidat Jude Célestin aus der Stichwahl zurückziehen sollte. Für ihn solle der Drittplatzierte Michel Martelly in das Rennen gegen die frühere First Lady Mirlande Manigat gehen.

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Neben der ungewissen politischen Zukunft leidet Haiti weiterhin unter der seit Monaten grassierenden Cholera-Epidemie. „Wir glauben, dass der Höhepunkt nicht erreicht ist“, sagte die Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Fadela Chaib, in Genf. Dank der verbesserten medizinischen Versorgung sei die Sterberate jedoch stark gesunken. Bislang sind in Haiti mehr als 3600 Menschen an der hochansteckenden Durchfallerkrankung gestorben, mehr als 171.300 Menschen wurden infiziert.