Das Urteil lautet zwei Jahre Haft auf Bewährung. Während der Begründung des Richters flossen bei der 28-Jährigen die Tränen: „Sie hat gelernt.“

Darmstadt. Die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa muss für die Ansteckung eines Sexpartners mit dem Aidsvirus nicht ins Gefängnis. Das Amtsgericht Darmstadt verurteilte die 28-Jährige am Donnerstag nach fünf Verhandlungstagen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Das Strafmaß beinhaltet auch den Fall eines anderen Mannes, der von einer Ansteckung verschont blieb. Benaissa wurde wegen gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt. „Sie hat bedingt vorsätzlich gehandelt, aber nicht absichtlich“, sagte Richter Dennis Wacker.

Benaissa kamen während der Urteilsbegründung die Tränen. Sie war vor zehn Jahren mit der Castingband No Angels über Nacht berühmt geworden. Als eine der Auflagen muss sie jetzt 300 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten – in einer Aidseinrichtung. Damit folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft. Auch Verteidigung und Nebenklage erklärten, das Urteil akzeptieren zu wollen. Der Manager der No Angels, Khalid Schröder sagte: „Wir wollen derzeit keinen Kommentar abgeben – weder zum Urteil noch dazu, wie es mit Nadja und den No Angels weitergeht.“

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Als strafmildernd wertete Richter Wacker das umfangreiche Geständnis der jungen Mutter und ihre Reue. Benaissa habe zwar den von ihr angesteckten Mann „zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt“, dass sie HIV-infiziert sei – auch auf Nachfrage nicht. Allerdings sehe die Künstlerin nach anfänglichen „erheblichen Defiziten“ in ihrem Reifeprozess ihre Fehler nun ein. „Sie hat gelernt.“ Auch ihre zehn Tage dauernde Untersuchungshaft nach ihrer Festnahme im April 2009 sei zu berücksichtigen. Dies gelte auch für die Tatsache, dass die Ermittler damals die HIV-Infektion publik gemacht hatten.

Für das Gericht stand die Schuld Benaissas außer Frage. „Die Ansteckung ist der Angeklagten zuzurechnen“, sagte Wacker. Dies habe ein Expertengutachten ergeben. Da Benaissa beim ersten Tatvorwurf aus dem Jahr 2000 noch 17 Jahre alt war, stand sie vor einem Jugendschöffengericht. Sie wurde allerdings nach Erwachsenen-Strafrecht verurteilt, da sie zum Zeitpunkt der Ansteckung des Mannes 2004 volljährig war und kein Reifedefizit mehr vorgelegen habe.

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Das Gericht zeichnete auch den künstlerischen Weg Benaissas als Mitglied der No Angels nach. Wacker schilderte turbulente Stationen. „Nadja Benaissa hat ein Leben geführt, wie man es sich turbulenter, wechselhafter und unsteter kaum vorstellen kann.“ Benaissa war in der Pubertät auf die schiefe Bahn geraten und hatte auch Drogenprobleme. Die 28-Jährige nahm das Strafmaß äußerlich gefasst auf. Als Wacker in seiner einstündigen Begründung dann aber auf Details einging und die Beziehungen zu ihren zahlreichen Liebhabern schilderte, hielt sie sich eine Hand vor das Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen.

Die Deutsche Aids-Hilfe bedauerte die Verurteilung. „Von dem Urteil gehen die falschen Botschaften aus, die der HIV-Prävention und der Emanzipation von chronisch Kranken in Deutschland Schaden zufügen werden“, teilte der Verein am Donnerstag in Bielefeld mit. Benaissa hatte nach dem Plädoyers am Mittwoch in ihrem Schlusswort noch einmal Einsicht gezeigt: „Ich habe einen riesigen Fehler gemacht“, sagte sie. „Es wird mir immer leidtun.“ Der Mann, den Benaissa ansteckte, trat in dem Verfahren als Nebenkläger auf.

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