Die Gegner des Bahnprojektes Stuttgart 21 hatten monatelang gekämpft und gehofft. Vergebens: ein Bagger riss die erste Mauer ein.

Stuttgart. Das Stuttgarter Bahnprojekt Stuttgart 21 ist zwar beschlossen, aber weiter heftigst umstritten. Am Mittwoch hat der Abbruch begonnen. Tausende Demonstranten haben mit lautstarkem Protest versucht, die Abrissarbeiten am Nordflügel des Hauptbahnhofs für das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu behindern, konnten diese aber nicht aufhalten. Zum Baubeginn des „Jahrhundert-Projekts" riss ein Bagger eine Seitenmauer vom Dach bis zum Erdgeschoss ein. Ein Großaufgebot der Polizei hatte die Baustelle zuvor abgesichert. Daraufhin setzten sich dutzende Demonstranten vor den Bauzaun und blockierten ihn – einige wurden später weggetragen. Gegner des Bahnprojekts zogen nach einer Großdemonstration am Abend über eine Bundesstraße. Es kam zu kilometerlangen Rückstaus. Mehrere hunderte Polizisten waren im Einsatz. Der Abriss der Seitenflügel des denkmalgeschützten Gebäudes ist Teil der Bauarbeiten für das milliardenteure Großvorhaben Stuttgart 21 .

Am Abend kletterten vor einer für den „Tag X“ angekündigten Großdemonstration sieben Aktivisten auf das Dach des Nordflügels und enthüllten ein Banner neben dem Abrissloch. „Brandstifter Schuster - raus aus dem Rathaus“, hieß es mit Blick auf Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU), der für das Projekt ist. Sie wollen das Dach erst wieder verlassen, wenn Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Abrissstopp veranlasst. Im Bahnhof hinderten Aktivisten für rund eine Stunde einen TGV in Richtung Paris daran, abzufahren. Die Bundespolizei sperrte nach Bahnangaben aus Sicherheitsgründen die daneben liegenden Gleise ab. Der Bahnverkehr wurde behindert, es kam zu Verspätungen. Schon vor der Großdemonstration hatten zahlreiche Gegner vor den geschlossenen Toren des Alten Schlosses – unweit des Bahnhofs - lautstark protestiert. Im Innenhof eröffnete der Oberbürgermeister das Weindorf.

Einer der Initiatoren des Protests gegen das Milliarden-Bahnprojekt kündigte eine Dauerblockade mindestens bis zu diesem Freitag an. Er rief die Demonstranten dazu auf, zahlreich zu erscheinen. Sie sollten Lastwagen daran hindern, auf das Gelände zu fahren. Für den Freitagabend (19.00) sei zudem eine Großdemonstration mit Menschenkette um den nahe gelegenen Landtag geplant. Die Initiatoren hofften auf 50 000 Teilnehmer. Nachdem sich die Meldung vom Beginn der Abbrucharbeiten herumgesprochen hatte, strömten am Nachmittag Demonstranten zum Bahnhof. Die Beamten bauten zusätzliche Zäune auf und umzingelten die Sitzblockierer. Die meisten verließen daraufhin freiwillig den Platz, andere wurden weggetragen. Ein Demonstrant hatte sich mit Handschellen an den großen Bauzaun gekettet, die Polizei rückte daraufhin mit einem Bolzenschneider an.

Der verkehrspolitische Sprecher der Landtags-Grünen Werner Wölfle bezeichnete den Abriss als „Provokation“ und „Demonstration der Unbelehrbarkeit“ der Projektbefürworter. Unterdessen hat die Forderung eines Mitschöpfers von Stuttgart 21 nach dem Stopp des Bahnprojekts für Wirbel gesorgt. Der 85 Jahre alte Architekt Frei Otto, der vor einem Jahr aus der Projektgruppe ausgeschieden war, befürchtete im Magazin „stern“ unter anderem, dass der Bahnhof überschwemmt werden oder „wie ein U-Boot aus dem Meer“ aufsteigen könnte. Denn die Erde unter Stuttgart sei voller Wasser und Quellen sowie Gipsschichten mit hohem Anhydridanteil. Die Projektträger wiesen die Vorwürfe des Architekten als „Panikmache“ zurück. „Die Äußerungen von Frei Otto sind fachlich nicht fundiert und entbehren einer soliden Grundlage“, sagte Wolfgang Drexler, Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm. In Stuttgart seien schon in denselben geologischen Schichten Tunnel gebaut worden und es sei nichts passiert. Auch ein Sprecher des Umwelt- und Verkehrsministeriums wies die Forderung Ottos zurück. Am 13. August war bereits ein Vordach abgebaut worden. Es war der erste äußerlich sichtbare Eingriff an dem denkmalgeschützten Gebäude des Architekten Paul Bonatz (1877-1956). Bei dem 4,1 Milliarden Euro teuren Vorhaben wird der Kopfbahnhof in eine unterirdische Durchgangsstation umgewandelt, mit einem unterirdischen Ring an die Zulaufstrecken und mit einem Tunnel an den Flughafen und die Schnellbahnstrecke nach Ulm angebunden. Seit Wochen protestieren tausende Menschen gegen das Milliardenprojekt.