Die Ventile an der neuen Auffangvorrichtung sind geschlossen. Doch nach dem ersten Aufatmen folgt am Golf von Mexiko nun banges Warten.

New Orleans. Nach dem ersten Aufatmen folgt nun banges Warten: BP ist es erstmals seit Beginn der Ölpest vor knapp drei Monaten gelungen, das defekte Bohrloch wieder zu schließen. Ob der Erfolg von Dauer ist, wird sich bis Samstag zeigen. Fraglich ist, ob die Auffangeinrichtung dauerhaft dem Druck des Öls standhält. Seit Beginn der Katastrophe sind Schätzungen zufolge schon bis zu 700 Millionen Liter Öl ins Meer geflossen. Die vorläufige Erfolgsmeldung von BP kam am Donnerstagabend exakt 85 Tage, 16 Stunden und 25 Minuten nach der ersten Explosion auf der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ am 20. April, mit der die Katastrophe begann und bei der elf Arbeiter getötet wurden. Dabei hatte es am Donnerstag zunächst wieder einmal nicht gut ausgesehen. Der Beginn der Arbeiten musste verschoben, weil eine der von dem Bohrloch zur Meeresoberfläche aufsteigenden Leitungen defekt war. Danach konnten aber an der neuen Auffangvorrichtung alle drei Ventile geschlossen werden.

Tests sollten nun zeigen, ob die Vorrichtung dem Druck standhält. Bis zu zwei Tage lang soll gemessen werden, ob die neue Abdichtung dem Druck des hervorsprudelnden Öls standhält. Hoher Druck wäre dabei ein gutes Zeichen, weil er darauf hindeuten würde, dass sich das Öl tatsächlich in dem Trichter sammelt. Eine dauerhafte Lösung ist der Trichter ohnehin nicht: Um den Austritt des Öls endgültig zu stoppen, treibt der Konzern derzeit zwei Entlastungsbohrungen voran. Bis diese erfolgreich sind, können aber noch Wochen vergehen.

Zur großen Erleichterung von Millionen Menschen am Golf von Mexiko verschwand aber erstmals die braune Wolke, die auf den Live-Videos vom defekten Bohrloch seit Beginn des Unglücks ständig zu sehen war. „Endlich!“, freute sich die Touristin Renee Brown am Strand von Pensacola in Florida. „Offen gesagt bin ich aber erstaunt, dass die nicht früher etwas unternehmen konnten“, fasste sie die Gefühle vieler Amerikaner zusammen. „Das ist großartig. Eine Menge Gebete sind heute erhört worden“, sagte der Gouverneur des Staates Alabama, Bob Riley. Doch bei vielen Betroffenen herrscht auch nach der Erfolgsmeldung Misstrauen. „Das ist eine Lüge. Ich glaube nicht, dass sie das Leck gestopft haben“, sagte der Austernfischer Stephon LaFrance aus Louisiana, der seit Wochen nicht mehr mit seinem Boot aufs Meer hinausfahren konnte. „BP will nur in der Öffentlichkeit gut dastehen.“

BP selbst warnte vor allzu großen Optimismus. „Wir sind noch nicht an der Ziellinie. Es gibt noch keinen Grund zu feiern“, sagte BP-Geschäftsführer Doug Suttler. Denn selbst wenn die Anlage zwei Tage lang hält, werden die Ventile von Zeit zu Zeit wieder geöffnet. Ingenieure nehmen dann seismische Messungen vor, um sicher zu gehen, dass Öl und Gas nicht aus der Quelle in das Gestein entweichen, wie der Beauftragte von US-Präsident Barack Obama, Thad Allen, erklärte. Obama sprach von einem positiven Signal, mahnte aber: „Wir sind noch in der Testphase.“ Wegen der positiven Nachrichten vom Golf legte die BP-Aktie am Freitag um 5,5 Prozent zu. Die BP-Aktie war wegen der Ölpest und der damit verbundenen Kosten, die auf den Konzern zukommen, seit dem 20. April vorübergehend auf mehr als die Hälfte ihres Wertes zusammengeschrumpft.

Die Umweltschutzorganisation WWF wies darauf hin, dass die eigentliche Aufräumarbeit erst jetzt beginne. „Es wird mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis sich die Natur einigermaßen von diesem Unfall erholt hat“, sagte Hans Ulrich Rösner vom WWF Deutschland. Er bemängelte, dass noch immer nicht die notwendigen Konsequenzen aus dem Unfall gezogen worden seien: die Vorbeugung gegen weitere Katastrophen. Der WWF forderte deshalb ein globales Kontrollorgan für Ölbohrungen auf hoher See und einen Stopp in allen sensiblen Gebieten.