Vor fünf Jahren ist “Maddie“ in Portugal spurlos verschwunden. Der mysteriöse Fall sorgt weiter für große Aufregung. In Portugal und in Großbritannien.

Lissabon. Was mit der kleinen Madeleine „Maddie“ McCann damals wirklich geschah und ob sie noch am Leben ist, weiß man nicht. Wenige Tage vor dem fünften Jahrestag des Verschwindens des britischen Mädchens im Süden Portugals lässt der mysteriöse Fall, der weltweit Schlagzeilen machte, die Emotionen noch immer hochkochen. Während die Eltern Gerry und Kate erst diese Woche aufgrund einer Scotland-Yard-Mitteilung neue Hoffnung schöpften, ihr Kind irgendwann einmal wieder in die Arme nehmen zu können, reagieren die meisten Portugiesen immer noch äußerst gereizt auf jeden Medienbericht und jede Eltern-Aussage.

„Dieses Problem interessiert mich nicht. Maddie ist doch Engländerin. Die sollen suchen!“, schimpfte diese Woche ein wütender Rentner bei einer Befragung des Online-TVs des Massenblattes „Correio da Manha“ in Lissabon. Alle zwölf Interviewten, darunter Jugendliche, Büroangestellte und Hausfrauen, zeigten sich skeptisch bis empört. Die Eltern wüssten sicher mehr als sie verraten, meinten viele.

Der frühere Chefermittler Gonçalo Amaral, der das Buch „Maddie: Die Wahrheit über die Lüge“ schrieb, meint sogar, Maddie sei tot und die Eltern hätten etwas damit zu tun.

+++ Sprecher: Madeleines Eltern von Polizei-Aufruf ermutigt +++

An der Algarve, wo Maddie am 3. Mai 2007 kurz vor ihrem vierten Geburtstag aus einer Luxus-Ferienanlage in Praia da Luz verschwand, ist die Stimmung zurzeit noch gereizter. Dort wurden bereits Madeleine-Plakate abgerissen oder beschmiert, die Eltern wurden bei Besuchen ausgebuht, ein Priester verwehrte Gerry die Teilnahme an einer Messe.

„Die meisten hier haben die Sache einfach satt. Sie sagen, so etwas passiere täglich überall auf der Welt, dass vor allem in England besonders viele Kinder verschwinden und dass die Medien den Fall dieses Mädchens hochspielen“, erklärt der Journalist Nuno Couto von der Regional-Zeitung „Jornal do Algarve“.

Nicht nur der verletzte Nationalstolz und das Gefühl einer ungerechten Behandlung nähren die Wut der Portugiesen. In Krisenzeiten schmerzen in dem hochverschuldeten und auf Touristen angewiesenen Land auch die wirtschaftlichen Folgen.

„Das Image Portugals und der Algarve wurde durch den Fall zweifellos in Mitleidenschaft gezogen“, klagt der Bürgermeister von Lagos, Júlio Barroso, dessen pittoreskes Küstenstädtchen fünf Kilometer östlich von Praia da Luz liegt. Er selbst, so Barroso, sei aber solidarisch mit den McCanns.

+++ Maddies Eltern fordern neue Suche nach ihrer Tochter +++

Wenn Maddie, wie viele Briten glauben und hoffen, tatsächlich noch leben sollte, wird sie am 12. Mai neun Jahre alt. Die britische Polizei brachte diese Woche ein Bild heraus, wie sie aussehen könnte: Die blonden Haare fallen bis zu den Schultern, die grau-grünen Augen mit dem markanten Fleck sind durchdringend wie eh und je.

Scotland Yard spricht jetzt von „Ermittlungslücken“, von der Möglichkeit einer Entführung und davon, dass Maddie noch am Leben sein könnte. Ein Aufruf, die 2008 wegen „fehlender Hinweise auf ein Verbrechen“ in Portugal eingestellten Ermittlungen wiederaufzunehmen, blieb ungehört.

Die portugiesische Staatsanwaltschaft und auch die Kriminalpolizei teilten nur kurz mit, es gebe keinen offiziellen Antrag und auch keinen Grund, den Fall neu aufzurollen. Dafür seien „neue glaubwürdige Fakten“ nötig. Es habe bereits „Tausende“ Hinweise von Menschen gegeben, die das Mädchen gesehen haben wollen, die sich als falsch herausgestellt hätten, sagte Generalstaatsanwalt José Pinto Monteiro. Viele Briten reagieren darauf empört.

Die Eltern wollen aber auch nach bald fünf Jahren nicht das Handtuch werfen. „Wir werden immer nach ihr suchen“, sagten sie auch bei einem Besuch in Hamburg vor sieben Monaten. Aber auch in Großbritannien regt sich inzwischen Unmut. Zwei Millionen Pfund (2,4 Millionen Euro) kosteten nämlich die Suchaktionen bisher. Einige Familien, die ein ähnliches Schicksal wie die McCanns erlitten haben, fragen nun öffentlich: Ist das Geld gerecht verteilt?