Ein amerikanischer Jurist vertritt die Opfer des “Costa Concordia“-Unglücks. Die italienische Reederei bietet jedoch lediglich 11.000 Euro.

Rom. Paul Beck wird diese Stunden auf der "Costa Concordia" nicht vergessen. "Der erste Gedanke, wenn man aufwacht, geht zu denen, die nicht überlebt haben", sagt der 81-Jährige aus Nordrhein-Westfalen. Bisher wurden 25 Leichen geborgen, sieben Personen werden weiterhin vermisst. Als das Kreuzfahrtschiff am 13. Januar vor der italienischen Insel Giglio auf einen Felsen stieß, feierte Beck gerade mit seiner Partnerin ihren Geburtstag. Plötzlich kam Wasser durch die Decke. Hektisch begann die Suche nach den Rettungswesten. Über eine Stunde lang standen die beiden auf Deck vier und warteten auf ihre Rettung: "Aber niemand half uns", sagt die Frau zittrig.

Jetzt wollen die beiden Wiedergutmachung. Sie sind nach München gekommen, um sich von dem amerikanischen Anwalt John Arthur Eaves über eine Schadensersatz-Klage in den USA beraten zu lassen. Dort winken sehr hohe Summen, die Opfern zugestanden werden. Eaves sprach von "mehreren Hunderttausend bis zu einer Million Dollar". Bei einem Todesfall sei das Maximum wohl fünf Millionen Dollar.

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Im Gespräch mit den Passagieren des Schiffs wird aber offenbar noch nicht konkret über mögliche Summen gesprochen. Eaves führt vielmehr übergeordnete Ziele für eine Klage in den USA an: "Was wir jetzt ändern, wird in Zukunft Leben retten." Der Anwalt fordert Änderungen des Seerechts und bessere Standards.

John Arthur Eaves und die beiden italienischen Anwälte Markus Wenter und Martin Gabrieli haben in München einen Informationstag organisiert, um Mandanten zu gewinnen. Der Markt scheint attraktiv, über 500 der 4200 Menschen an Bord der "Costa Concordia" kamen aus Deutschland.

Von der italienischen Reederei Costa Crociere war den unverletzten Kreuzfahrt-Gästen bisher eine Entschädigung von 11.000 Euro plus 3000 Euro Reisekosten angeboten worden. "Lächerliche Summen nach amerikanischem Standard", wie Eaves sagte. Die Klagen - es ist keine Sammelklage geplant - werden sich an den Mutterkonzern der Reederei richten: die Carnival Corporation. Registriert ist sie in Panama, hat aber einen Verwaltungssitz in Florida. Mit einem Jahresumsatz von 14,4 Milliarden Dollar (rund elf Milliarden Euro) und einem Jahresgewinn von etwa zwei Milliarden Dollar (rund 1,5 Milliarden Euro) ist Carnival Corp. das weltweit größte Kreuzfahrtunternehmen mit einem Marktanteil von 49,7 Prozent. Im Jahr 2000 kaufte Carnival die italienische Reederei Costa Crociere SpA.. Die Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Genua.

Die Anwälte sagten jedoch wenig über die Erfolgsaussichten ihrer Klage, lockten aber mit wenig Risiko - "es ist gleich null", sagt Martin Gabrieli. Und der amerikanische Kollege arbeite nur auf der Basis eines Erfolgshonorars. Bei einer außergerichtlichen Einigung bekommt Eaves 35 Prozent, geht es vor Gericht, 40 Prozent.

Als Vermittler tritt die Kanzlei von Markus Wenter und Martin Gabrieli auf. Die beiden deutschsprachigen Anwälte aus Südtirol haben viele Kontakte. Sie arbeiten nach eigenen Angaben seit 25 Jahren mit verschiedenen deutschen Rechtsschutzversicherungen zusammen. So haben sie den Passagieren auch eine Art Gutachten zukommen lassen, in denen die Erfolgsaussichten dargelegt werden. Eaves Vorwürfe beschränken sich aber nicht nur auf das Verhalten von Kapitän Francesco Schettino. Auch das Verhalten anderer Crew-Mitglieder müsse untersucht werden. Verantwortlich sei auch "die gesamte Kreuzfahrt-Industrie". Sie müsse ihre Geschäftspolitik ändern und die Sicherheitsstandards erhöhen.

Die Reederei hatte bereits signalisiert, dass sie zweifle, ob eine Klage in den USA zulässig sei. Auf den Tickets der Kreuzfahrt-Passagiere ist Italien als Gerichtsort angegeben. Ob das ausreicht, Ansprüche an die Muttergesellschaft in den USA abzuwehren, ist juristisch umstritten. Auch Rechtsanwalt Michele Germeno, der für eine italienisch-deutsche Kanzlei zwei Familien vertritt und den Auftritt in München beobachtete, ist überzeugt, dass der Gerichtsort Genua sei. Das muss für die Passagiere kein Nachteil sein. In Italien wird in der Regel sehr hohes Schmerzengeld bezahlt.

Gegen Kapitän Schettino, der unter Hausarrest steht, laufen derweil Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und Verlassens seines Schiffs. Das Wrack der "Costa Concordia" wird wohl auch noch bis mindestens Ende des Jahres vor der italienischen Insel Giglio liegen. Der Streit um die Entschädigung wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen.