Was geschieht, wenn Königin Beatrix' Sohn Prinz Friso nicht mehr aus dem Koma erwacht? Eine neue Debatte um Sterbehilfe ist entbrannt.

London. Die Niederländer sorgen sich um ihren Prinzen Johan Friso, 43. Nach einem Lawinenunfall in Österreich bleibt der zweitälteste Sohn von Königin Beatrix, 74, womöglich dauerhaft im Koma. Der Prinz wird jetzt im Wellington Hospital im noblen Londoner Stadtteil St Johns Wood behandelt. Die Abteilung für neurologische Rehabilitation ist die größte ihrer Art in Großbritannien, die Therapieangebote sind umfassend und auf dem neuesten Stand. Dort könne Friso "in seinem gegenwärtigen Zustand" am besten behandelt werden. Dies wäre in den Niederlanden nicht möglich gewesen, denn die einzige Reha-Klinik, das "Leijpark"-Klinikum in Tilburg, behandelt nur Patienten, die jünger als 25 sind.

Die Privatklinik wird ihren prominenten Patienten, der schon seit Jahren in London lebt und als Manager arbeitet, streng abschotten. "Die Privatsphäre des Patienten hat allerhöchste Priorität", sagte ein Sprecher. Am Freitag besuchte Königin Beatrix, 74, ihren Sohn. Zur Unterstützung ihrer Schwiegertochter Prinzessin Mabel, 43, und der Enkelinnen Zaria, 5, und Luana, 6, war sie nach London gereist.

Vor zwei Wochen hatte der Prinz bei einem Lawinenunfall einen Sauerstoffmangel erlitten. Dieser habe sein Gehirn schwer geschädigt, teilten die Ärzte mit. Ob und wann er das Bewusstsein wiedererlangt, kann niemand sagen. Selbst wenn Friso aus dem Koma aufwachen würde, könnte es viele Monate, wenn nicht gar Jahre dauern, bis er wieder am Leben teilnehmen kann.

In den Niederlanden war der Schock ob dieser Diagnose groß. Quer durch das politische Spektrum drückten Politiker der königlichen Familie ihr Mitgefühl aus. Frisos Frau Mabel und dem Rest der Familie steht womöglich auch die schwierige Entscheidung bevor, ob lebenserhaltende Geräte abgeschaltet werden sollen, falls sein Zustand sich nicht bessert. Für die Familie wäre diese Entscheidung aufgrund ihres besonderen Status in der Öffentlichkeit wohl noch schwieriger, als sie sowieso schon ist, meinen Beobachter.

Ein Amerikaner erlangte nach 19 Jahren das Bewusstsein wieder

Passive Sterbehilfe, der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, ist in Großbritannien und den Niederlanden möglich. In den Niederlanden dürfen Ärzte diese aussetzen, wenn sie überzeugt sind, dass ein Hirntod vorliegt. Wird ein Patient dann nicht mehr künstlich beatmet, tritt der Tod bald ein. In England dagegen brauchen Ärzte die ausdrückliche Genehmigung der Familie des Patienten. In Deutschland regt sich Kritik an der Sterbehilfe-Debatte. "Dass schon wenige Tage nach dem Unfall von Prinz Friso die Frage der Sterbehilfe für ihn öffentlich diskutiert wird, ist entsetzlich", sagt Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung. Der Prinz habe zuallererst ein Anrecht auf Therapie und Fürsorge. Ihm müsse nun erst mal Zeit zur Rehabilitation gegeben werden, bevor über Sterbehilfe diskutiert werde. Auch in Deutschland kann passive Sterbehilfe zulässig sein, wenn sie dem mutmaßlichen oder in einer Patientenverfügung erklärten Willen entspricht. Bei Zweifeln müssen sich die Ärzte aber für das Leben entscheiden.

Das Koma des beliebten Prinzen Johan Friso lenkt den Blick auf Patienten mit ähnlichem Schicksal. Deutschlandweit liegen zum Beispiel zwischen 3000 und 5000 Menschen im Wachkoma. Das ist eine besondere Form des Komas, bei dem die Patienten mit geöffneten Augen im Bett liegen, aber ihr Blick geht ins Leere. "Wegen der Verbesserung der Intensivmedizin hat die Zahl der Wachkoma-Patienten zugenommen. Prinz Friso hätte vor 20 Jahren nicht überlebt", sagte Matthias Ullmann, Chefarzt im niedersächsischen Coppenbrügge.

Immer wieder gibt es Fälle, die Hoffnung machen. So wachte im Juli 2003 nach 19 Jahren ein Amerikaner wieder auf. Sein erstes Wort sei "Mama" gewesen, berichtete seine Mutter. Dann sollen die Worte "Pepsi" und "Milch" gefolgt sein. Der Mann war 1984 im Bundesstaat Arkansas mit seinem Auto verunglückt. Am Heiligen Abend 2000 erlangte nach 16 Jahren eine Frau, 42, aus Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico das Bewusstsein zurück. Sie konnte zum ersten Mal ihren 16 Jahre alten Sohn Mark umarmen, bei dessen Kaiserschnitt-Geburt sie einen Atemstillstand erlitten hatte.