Havariertes Kreuzfahrtschiff “Costa Allegra“ hat auf einer Seychellen-Insel festgemacht. Passagiere dürfen über Resturlaub entscheiden.

Victoria/Hamburg. „Kristallschiff“ wird die „Costa Allegra“ wegen ihrer großen Fensterfronten auch genannt. Kristallklar ist aber nur eins: Diese Kreuzfahrt war ein Desaster. Viele der mehr als 600 Passagiere versammelten sich am Donnerstagmorgen auf den oberen Decks, um die Ankunft auf der Seychellen-Hauptinsel Mahé hautnah mitzuerleben. Es ist ein Bild des Jammers, wie ein kleiner Trawler den mit 399 Kabinen und 13 Suiten ausgestatteten Kreuzfahrer in den Port Victoria zieht. Das „dynamisch-mitreißende Urlaubserlebnis“, das die Reederei Costa Crociere auf ihrer Webseite verspricht, ist gründlich daneben gegangen.

Drei Tage nach der Manövrierunfähigkeit im Indischen Ozean hat das Kreuzfahrtschiff in einem Hafen der Seychellen festgemacht. Nach der Ankunft des havarierten Schiffs auf der Hauptinsel Mahé haben 15 betroffene Kreuzfahrer aus Deutschland signalisiert, umgehend die Heimreise antreten zu wollen. "Wir haben die Passagiere gefragt, und von den 38 deutschen Gästen wollten 15 unmittelbar zurück nach Hause“, sagte der Sprecher von Costa Kreuzfahrten in Deutschland, Werner Claasen, am Donnerstag. Sie fliegen voraussichtlich über Paris zurück in die Heimat, wie er erklärte. Die 23 weiteren Reisenden wollten zunächst im Urlaub bleiben.

Auf dem Kreuzfahrtschiff, das drei Tage lang manövrierunfähig und ohne Strom und Klimaanlagen durch die Gewässer gezogen wurde, haben die Tropen-Temperaturen die Passagiere auf eine harte Probe gestellt. Die Kabinen waren keine Alternative zur Äquator-Sonne. „Drinnen konnte man es gar nicht aushalten“, sagt der Deutsche Franz Mayer. Beim Einlaufen in den Port Victoria haben manche Handtücher auf dem Kopf, andere fächern sich unter Sonnenhüten ununterbrochen Luft zu.

„Eine Österreicherin soll kollabiert und sofort nach der Ankunft in ein Krankenhaus gebracht worden sein“, sagt Leona Zacek, die den österreichischen Konsul beim Empfang der 97 Landsleute unterstützt.

Das Wichtigste ist, dass die über 1000 Menschen an Bord alle am Leben sind und viele von ihnen zwar erschöpft, aber unversehrt an Land gegangen sind. Es ist 6.30 Uhr (MEZ), 9.30 Uhr auf den Seychellen, als zunächst der französische Fischtrawler und dann die „Costa Allegra“ hinter der Insel Saint Anne am Horizont auftauchen. Dutzende Journalisten, die zuvor eher in einer Art Happening im Gras des Port Victoria gehockt haben, bringen sich nervös in Stellung. Jeder will das erste Bild, den besten Film der Ankunft erhaschen.

Ob die Urlauber geahnt haben, welcher Medienrummel sich in den vergangenen Tagen um ihre Unglücksfahrt aufgebaut hat? Immerhin war die Kommunikation vom Schiff ohne Strom nicht einfach. Das Bild ist nicht ohne Komik: Die Journalisten fotografieren die Menschen auf dem Schiff und die Menschen auf dem Schiff die Journalisten. Manche winken, alle wirken erleichtert.

Einmal in Sicherheit hat es plötzlich keiner mehr eilig, das Schiff zu verlassen. Nach und nach kommen sie langsam die Gangway herunter, viele ältere Menschen sind darunter. Nach Angaben der für die Inselgruppe zuständigen deutschen Botschafterin Margit Hellwig-Bötte, die aus Kenia einflog, sind 300 Passagiere älter als 65 Jahre. „Als erstes werde ich den Deutschen sagen: „Ich freue mich, dass Sie gesund hier angekommen sind!„“

Denn schließlich hätten ja alle noch die Bilder der im Januar vor der toskanischen Küste havarierten „Costa Concordia“ vor Augen – eine Katastrophe, die mindestens 25 Menschen das Leben gekostet hat. „Aber die war ja auf einen Felsen aufgelaufen, und hier ist etwas völlig anderes passiert“, sagt die Diplomatin. Dennoch: „Von dem Schreck müssen sich die Leute jetzt erstmal erholen.“

Das wird nun jeder auf seine Weise tun. Manche wollen so schnell wie möglich nach Hause, mehr als die Hälfte bleibt noch für einige Tage oder sogar Wochen auf den Seychellen. Einige wollen reden, viele wollen das Erlebte schweigend verarbeiten. Alle wollen sie duschen.

Bleibt die Frage, ob die Unglücksfahrt mit dem Happy End dem Tourismus auf den Inseln schaden wird, die den Großteil ihrer Einnahmen mit dieser Branche verdienen. „Nein“, sagt ein Mitarbeiter der örtlichen Reiseagentur „Creole Travel Services“ (CTS), die am Donnerstag für die Logistik bei der Landung mitverantwortlich war. „Ich glaube eher, dass die vielen eingeflogenen ausländischen Journalisten letztlich Werbung für die Seychellen machen werden, und das ist das einzig Positive an dieser Geschichte.“

Traurig ist er nur darüber, dass die „Costa“-Touristen nicht alle Inseln besuchen konnten, die für die Kreuzfahrt geplant waren. Vielleicht ein andermal? Eine Italienerin, die sich zuvor leidenschaftlich vor Reportern über das Erlebte ausgelassen hat, wird im Weggehen gefragt: „Würden Sie jemals noch mal eine Kreuzfahrt machen?“ Ohne zu zögern, ruft sie: „Si!“

Mit Material von dpa und dapd