Im Gerichtssaal erschießt ein Mann den Staatsanwalt. Der Schütze: Ein Angeklagter in einem Routineverfahren. Können solche Taten verhindert werden?

Dachau/München. Nach den Todesschüssen auf einen jungen Staatsanwalt im Dachauer Amtsgericht hüllt sich der Täter in beharrliches Schweigen. „Er hat bisher nichts gesagt“, sagte die Münchner Oberstaatsanwältin Andrea Titz. Der 54-jährige Transportunternehmer, der unter anderem wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge am Mittwoch zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden war, sei mit dem Richterspruch nicht einverstanden gewesen. Gegen den Mann sollte am Donnerstagnachmittag Haftbefehl wegen Mordes erlassen werden. Unterdessen ist die Debatte um die Sicherheit in Justizgebäuden erneut entbrannt.

„Nach unseren Erkenntnissen war es wohl so, dass er aufgebracht war, auch im Umgang mit seiner Verteidigerin. Da habe ich aber noch keine Zeugenaussagen dazu, was er genau gesagt hat“, sagte Titz. Während das Urteil verlesen wurde, habe der Mann aber wohl nicht geschimpft oder sich beschwert. Er soll dann plötzlich eine kleine Pistole gezogen und mehrere Schüsse - wahrscheinlich fünf - abgefeuert haben. Woher der Mann die Waffe des Kalibers 6,35 hatte, die er illegal besaß, ist noch unklar.

„Wir gehen davon aus, dass ein Schuss zumindest in Richtung der Richterbank gegangen ist“, sagte Titz. Zwei Schüsse trafen den 31-jährigen Staatsanwalt. Eine Kugel ging ins Handgelenk und dann in die Hüfte, die zweite drang an der Schulter in den Körper. Der Jurist sei trotz einer Notoperation im Krankenhaus gestorben. Die Leiche sei bereits obduziert. Details dazu wurden aber zunächst nicht bekanntgegeben.

Der junge Staatsanwalt, der erst seit einem Jahr als Ankläger im Staatsdienst beschäftigt war, lebte in München und hinterlässt eine Ehefrau. Das Paar hatte keine Kinder. „Er hatte ein ausgezeichnetes Examen und war ein hervorragender Kollege“, sagte Titz.

Derweil ist die Sicherheit bei Prozessen erneut zum Diskussionsthema geworden. Es sei nicht möglich, eine Gerichtsverhandlung vollständig vor der Öffentlichkeit abzuschotten, sagte der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. „Sozusagen in Geheimjustiz zu verhandeln, das wollen wir nicht, und diese Sicherheit werden wir nicht herstellen können.“ Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft in Bayern hält generell verstärkte Kontrollen für überzogen.

Zollbeamte, die in dem Verfahren vor dem Amtsgericht als Zeugen geladen waren, hatten den Schützen überwältigt. Im Gerichtssaal selbst seien keine Justizwachtmeister anwesend gewesen, sagte Titz. Das sei bei solchen Alltagsfällen nicht üblich.

Generalstaatsanwalt Strötz sagte, die Sicherheit bei Prozessen werde intensiv diskutiert. Man habe ein Sicherheitskonzept erstellt. Aber „uns ist bewusst, dass wir nicht alle 250 bayerischen Justizgebäude zu Sicherheits- und Trutzburgen ausbauen können.“ Ähnlich hatte sich am Vortag Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) geäußert, die sofort an den Tatort geeilt war. Der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Hermann Benker, sagte, schon kleine Maßnahmen wie eine Abgabepflicht für Mäntel, Jacken und Taschen am Eingang würden mehr Sicherheit bringen.

In dem Gebäude in Dachau, in dem normalerweise keine Strafverfahren verhandelt werden, sollen für den Rest der Woche keine Verhandlungen mehr stattfinden. Der Umzug in das sanierte Hauptgebäude ist nach Angaben des Amtsgerichts im Internet für kommenden Montag (16. Januar) geplant.