Am 11. Januar hat Rudolf U. im Gerichtssaal in Dachau einen jungen Staatsanwalt erschossen. Jetzt wurde gegen den 54-Jährigen Anklage erhoben.

Dachau/München. Drei Monate nach den tödlichen Schüssen auf einen Staatsanwalt im Gerichtssaal in Dachau ist Anklage gegen den mutmaßlichen Schützen erhoben worden. Die Staatsanwaltschaft München wirft dem 54-Jährigen Mord und dreifachen versuchten Mord vor. Sie geht von niedrigen Beweggründen und Heimtücke bei den Taten am 11. Januar aus, wie die Behörde am Mittwoch mitteilte. Als Motiv nimmt die Anklagebehörde Rache an wegen einer kurz zuvor ausgesprochenen Verurteilung des mutmaßlichen Todesschützen.

Nach den Ermittlungen feuerte Rudolf U. sechs Schüsse auf den Staatsanwalt und den Richtertisch aus einer Pistole ab, die er in den Sitzungssaal mitgebracht hatte und illegal besaß. Laut Anklage spielte sich die Tat so ab: Als der Richter mit der Urteilsbegründung beginnt, zieht der zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung Verurteilte die Pistole und schießt zweimal auf den Staatsanwalt. Der 31-Jährige ist dem Schützen zuvor nie begegnet. Das Opfer erliegt wenig später im Krankenhaus seinen schweren Schussverletzungen.

Der Richter, sein Protokollführer und die Verteidigerin des 54-Jährigen gehen unter dem Richtertisch in Deckung. Der Mann schießt auf den Vorsitzenden - die Kugel verfehlt ihn jedoch. Im Zuschauerraum sitzen ein Mitarbeiter der Rentenversicherung und ein Zollbeamter - sie hatten zuvor als Zeugen ausgesagt. Sie drücken den Täter zu Boden, dennoch feuert der Schütze weiterhin in Richtung Prozessbeteiligte. Als ihm die Waffe vom Kaliber 6,35 entrissen werden kann, ist noch eine von sieben Patronen darin.

Die Staatsanwaltschaft München I hat für den Prozess 62 Zeugen und 10 Sachverständige benannt. Die Anklageschrift umfasst 200 Seiten. Neben Mord und dreifachem versuchten Mord muss sich der 54-Jährige auch wegen illegalen Waffenbesitzes verantworten. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft hat sich der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren nicht konkret zum Tatablauf geäußert. „Jedoch sind Äußerungen von ihm belegt, die er in Anwesenheit von Polizeibeamten getätigt hat, dass er auch den Richter noch habe töten wollen“, hieß es.

Das Verfahren muss zwar formell beim Landgericht München II eröffnet werden, Gerichtspräsident Christian Schmidt-Sommerfeld rechnet jedoch mit einem Termin innerhalb der nächsten drei Monate.

Der Mord an dem verheirateten Staatsanwaltschaft hatte bundesweit eine Debatte über schärfere Sicherheitsvorkehrungen in Justizgebäuden ausgelöst. In Bayern werden seitdem in Amts- und Landgerichten die Besucher kontrolliert. Sie müssen entweder durch Sicherheitsschleusen gehen oder sich teils auch Körperkontrollen unterziehen.