Die Klägerin zieht eine Berufung in Erwägung, obwohl sie bereits Gerichtskosten in Höhe von 1.200 Euro tragen muss. Sie sucht neue Argumente.

Stuttgart/Berlin. Die Frage, ob Ostdeutsche eine eigene Ethnie sind, könnte in eine zweite Runde gehen. „Wir sind grundsätzlich daran interessiert, Berufung einzulegen“, sagte Wolfgang Nau, der Anwalt der im Ostteil Berlins geborenen Klägerin. Mit neuen Argumenten will er die Richter des Landesarbeitsgerichts davon überzeugen, dass Ostdeutsche doch ein eigener Volksstamm sind und damit eine Entschädigung für seine Mandantin erstreiten.

Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte die Klage der seit 1988 in Stuttgart lebenden Klägerin Gabriela S. abgewiesen, die als Ostdeutsche keine Stelle bei einer schwäbischen Firma bekam. Der Arbeitgeber hatte der 49-Jährigen die Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt und auf dem Lebenslauf notiert: „(-) Ossi“. Dieser Vermerk könne zwar als diskriminierend verstanden werden, sei aber keine gesetzlich verbotene Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft, urteilte das Gericht. Zu einer Ethnie gehöre mehr als nur die gemeinsame regionale Herkunft.

Genau diesen Punkt will Nau nun mit Hilfe einiger weiterer Gesetze anzweifeln: Der im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Diskriminierungsschutz schließe auch die Abstammung ein und auch das Grundgesetz beziehe sich in zwei Artikeln auf ähnliche Fragen. Artikel 3 schließe eine Benachteiligung wegen „Heimat und Herkunft“ aus, Artikel 33 garantiere gleiche Rechte und Pflichten für Bürger unabhängig vom Bundesland, aus dem sie stammen. „Das gilt zwar primär zwischen Staat und Bürger, es strahlt aber auch auf das Verhältnis der Bürger untereinander ab“, erklärt Nau.

Zustimmung kommt ausgerechnet von dem aus Berlin stammenden Anwalt der Gegenseite, Wolf Reuter, der die angeklagte Stuttgarter Fensterbau-Firma vertritt: „Da hat er recht“. Fügte aber hinzu: "Eine Bewerbung schafft keine Rechtsbeziehung“, es gebe keine vertragliche Beziehung zueinander. Der Geschäftsführer hatte vor Gericht argumentiert, nichts gegen Ostdeutsche zu haben. Die Frau sei schlicht nicht ausreichend qualifiziert gewesen. Der breit diskutierte Fall sei für ihn massiv geschäftsschädigend, einige Aufträge seien bereits storniert worden.

Auch für die Klägerin steht finanziell einiges auf dem Spiel: Sie besitzt nach eigenen Angaben keine Rechtsschutzversicherung und durch das Urteil in erster Instanz kommen bereits rund 1200 Euro auf sie zu, schätzt Anwalt Nau. Nun wolle man überlegen, bei Interviews eventuell um eine Unterstützung zu bitten. Die Frau hat einen Monat Zeit, sich endgültig für oder gegen die Berufung zu entscheiden. Zunächst wolle man aber die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, meint Nau. Trotz des ganzen Trubels ist er sich sicher, einen wichtigen Streit auszufechten: „Ich glaube einfach, dass der Fall etwas in der Ost-West-Diskussion verändern kann.“

Die neue Prozessrunde würde für alle Beteiligten aber auch eins bedeuten: Ein Ende der öffentlichen Aufregung ist nicht in Sicht.