Es fehle an einheitlichen Merkmalen in der Tradition, Sprache und Religion. Diskriminierend sei der Vermerk “Ossi“ aber dennoch.

Stuttgart/Berlin. Das Arbeitsgericht in Stuttgart hat entschieden: „Ossis“ sind kein eigener Volksstamm. Damit wies das Gericht die Klage einer Frau ab, die als Ostdeutsche keine Stelle bei einer schwäbischen Firma bekam. Der Arbeitgeber hatte der 49-Jährigen die Bewerbungsunterlagen zurückgeschickt und auf dem Lebenslauf notiert: „(-) Ossi“. Dieser Vermerk könne zwar als diskriminierend verstanden werden, sei aber keine gesetzlich verbotene Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft, urteilte das Gericht.

„Unter ethnischer Herkunft ist mehr zu verstehen als nur regionale Herkunft“, erklärte der Vorsitzende Richter. Bei den "Ossis" fehle es an einheitlichen Merkmalen in Tradition, Sprache, Religion, Kleidung oder Ernährung. Allein die Zuordnung zum ehemaligen DDR-Territorium genüge nicht. Der Anwalt der Klägerin berief sich in der Verhandlung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

In der Verhandlung beteuerte der Arbeitgeber, Grund für die Absage sei nicht die Herkunft, sondern die mangelnde Qualifikation der Frau gewesen. Ihr Anschreiben sei fehlerhaft gewesen, außerdem hätten ihr wichtige Computerkenntnisse gefehlt.

Die seit 1988 in Stuttgart lebende Buchhalterin stammt aus Ost-Berlin. Sie erschien nicht persönlich vor Gericht. Nach dem Urteil kündigte der Anwalt an, dass seine Mandantin möglicherweise Berufung vor dem Landesarbeitsgericht einlegen werde. Dort könnte sie sich auf einen Diskriminierungs-Paragrafen im BGB berufen, der aber wesentlich höhere Voraussetzungen in der Beweisführung mit sich bringen würde.

Während der Verhandlung hatte der Richter den Prozessparteien eine gütliche Einigung nahegelegt. Sein Vorschlag: die Stuttgarter Firma könnte der Klägerin rund 1650 Euro zahlen. Dies lehnten beide Seiten ab.

Die Antidiskriminierungs-Beauftragte des Bundes, Christine Lüders, unterstützte die Klage. „Ich habe absolutes Verständnis dafür, dass die Frau den Klageweg eingegangen ist“, sagte sie. Aus ihrer Sicht muss das Antidiskriminierungsgesetz nicht genauer formuliert werden. „Ich würde die viel einfachere Methode wählen, nämlich anonymisierte Lebensläufe einzuführen“, sagte Lüders.

Im persönlichen Gespräch zeige sich die Qualifikation viel deutlicher. „Wir haben herausgefunden, dass gerade Menschen mit türkischem Hintergrund ganz große Probleme haben, dieses Erstgespräch zu bekommen."