Von “Erneuerung“ sprach Benedikt XVI. in seiner Osterbotschaft. Kardinal Sodano bezeichnete den Papst als “makellosen Fels“ der Kirche.

Vatikanstadt. Es gab Osterjubel, trotz des anhaltenden Regens. Zu Zehntausenden waren aus der Stadt Rom und dem Erdkreis Gläubige auf den Petersplatz gekommen, um den Neuanfang durch die Auferstehung Jesu zu feiern und ihrem Papst nahe zu sein. Das nasskalte Wetter an diesem Ostersonntag war symptomatisch für die dunkle Wolke, unter der die katholische Kirche derzeit in der Medienöffentlichkeit steht.

Von Anfang und Erneuerung sprach Benedikt XVI. in seiner Osterbotschaft. Traditionell nutzt er diese Gelegenheit, um live in über 100 Fernsehkanälen weltweit auf internationale Krisenherde hinzuweisen. Jetzt rückte er das biblische Motiv des Exodus in den Vordergrund, Symbol des Übergangs von der Herrschaft der Sünde zur Vergebung. Eine „geistige und moralische Verwandlung“ forderte der Papst. Eine Wandlung mit Hilfe des Evangeliums, um „aus einer Krise herauszukommen, die tief ist und deshalb tiefe Veränderungen verlangt, angefangen mit den Gewissen der Menschen.“

Ähnlich hatte er zuvor in der Osternacht im Petersdom den frühchristlichen Taufritus mit seiner Absage an den Satan ausgelegt. Es gelte, Unzucht und Unsittlichkeit, „Gewänder des Todes“, abzulegen. Die Taufe sei nur der Anfang eines lebenslangen Prozesses der Umkehr. Konkreter ging er auf das Missbrauchsthema, auf Fragen von Schuld und Verantwortung nicht ein. Im Grundsätzlichen blieb er auch am Karfreitagabend, als er Jesus die Erfolglosigkeiten und Bitterkeiten des Lebens anvertraute. Bei allen großen Zeremonien dieser Tage sprach er als Lehrer seiner Kirche, theologisch durchdrungen, mit spiritueller Tiefe. Er wählte Worte, die über die Aktualität hinaus Geltung haben.

Es blieb Angelo Sodano, dem ranghöchsten Kurienkardinal, vorbehalten, konkreter zu werden. Er sprach zur Verteidigung seines langjährigen Kardinalskollegen Ratzinger, den er nun als Papst in Schutz nahm. Zu Beginn der Ostermesse versicherte er ihn öffentlich des Rückhalts der Kardinäle. Die ganze Gemeinschaft der Katholiken schare sich um ihn, den „makellosen Fels der heiligen Kirche Christi“, sagte er in einer ungewöhnlichen Solidaritätsadresse. „Das Volk Gottes ist mit Ihnen.“

In seinen langen Jahren als Kardinalstaatssekretär war Sodano einst mächtigster Kirchenmann neben dem Glaubenspräfekten Joseph Ratzinger. Im Unterschied zu dem unnachgiebigen, in Glaubens- und Sittenfragen unverrückbaren Deutschen galt Sodano seinerzeit als derjenige an der Kurienspitze, der, wenn möglich, diplomatische Lösungen bevorzugte. Um so stärker seine jetzigen Worte: Die Kirche bleibe unbeeindruckt vom „Geschwätz des Augenblicks“. Er rückte Benedikt XVI. sogar in die Nähe des leidenden Christus, der geschmäht wurde, ohne zu schmähen.

Der Ton der Verteidigung wird entschiedener an der Kirchenspitze. In ihrer Osterausgabe schalt die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ die Missbrauchsdebatte als „plumpe Propaganda gegen den Papst und die Katholiken“. Aus Paris und Lima, Mexiko-Stadt, Madrid und anderen Bischofssitzen brachte das Blatt Solidaritätsbekundungen von Kardinälen gegen die „verleumderischen Angriffe und die Diffamierungskampagne, die um das Drama der Fälle sexuellen Missbrauchs herumkonstruiert wurden“.

Auch der päpstliche Hausprediger Raniero Cantalamessa hatte einen Entlastungsschlag versucht. Beim Karfreitagsgottesdienst im Petersdom zitierte er einen jüdischen Freund: Der Gebrauch von Stereotypen und das Verschieben von persönlicher zu kollektiver Schuld in der Missbrauchsdebatte erinnere „an die schändlichsten Aspekte des Antisemitismus“. Jüdische Organisationen protestierten, Vatikansprecher Federico Lombardi distanzierte sich noch am gleichen Abend. Cantalamessa ruderte am Sonntag zurück: In einem Interview bat er Juden und Pädophilie-Opfer um Entschuldigung. Er habe nur ein „Zeugnis der Solidarität für den derzeit so heftig angegriffenen Papst“ von jüdischer Seite anführen wollen. Und: Der Text sei nirgends im Vatikan gegengelesen worden. Wenn allerdings ein erfahrener Prediger wie Cantalamessa sich so vergaloppiert, zeigt dies, wie sehr bei einigen Kirchenmännern der mediale Beschuss die Nerven blankgelegt hat.

Traditionell beginnt jetzt eine ruhigere Zeit im Vatikan. Nach den anstrengenden Zeremonien zieht sich der 82-jährige Papst für ein paar Erholungstage auf seinen Landsitz in Castelgandolfo zurück. Mit dem letzten Tusch der päpstlichen Gendarmeriekapelle nach dem Segen „Urbi et orbi“ war das römische Ostern vorbei. Die Kardinäle mit den vom Regen ruinierten Seidenbiretts zogen eilig in die Basilika, die Masse der Gläubigen verlief sich rasch. Eine halbe Stunde später hellte sich der Himmel auf.