Hamburg/Berlin. "Big Brother" ist im Jahr 2010 einfach überall. Auch im Berliner Hotel Grand Hyatt. Dort endete am Wochenende das größte Pokerturnier Deutschlands, allerdings mit einem unerwarteten Überfall. Das Ereignis wurde per Internet live übertragen, jeder Interessierte konnte bekannte und weniger bekannte Freunde des Kartenspiels beim Flush und Fliehen beobachten. Mitte der Woche erst waren Boris Becker (42) und die Autorin von "Feuchtgebiete", Charlotte Roche (31), ausgeschieden.

Dieses "Highlight" der Internetunterhaltung wurde nun am Sonnabend um kurz nach 14 Uhr plötzlich Oscar-verdächtig. Vielleicht nicht für die Regie oder die verwackelte Kameraführung, aber für den dramatischsten Actionfilm allemal. Die Handlung ist spektakulär: Mindestens vier maskierte und bewaffnete Männer sprengen das Geschehen mit lautem Geschrei. Alle schwarz gekleidet, nur der spätere Hauptdarsteller hat sich passenderweise eine knallrote Jacke angezogen. Während die Spieler und Zuschauer zuerst nicht wissen, wie ihnen geschieht, brechen sie nach wenigen Sekunden in "eine kleine Panik" aus. So formuliert es später ein Polizeisprecher. Die Räuber machen sich unterdessen auf die Suche nach dem Preisgeld. Allein der Hauptgewinn beträgt eine Million Euro. Am Sonnabend wurde außerdem der sogenannte "High Roller"-Wettbewerb ausgespielt. Die Teilnehmer zahlen dabei ein beachtliches Startgeld von 10 000 Euro.

Die vier Männer, von denen gestern noch jede Spur fehlte, fuchteln in dem Video bedrohlich mit Macheten und Pistolen, Schüsse fallen zwar nicht, aber bei der "kleinen Panik" gehen Bilderrahmen, Tische und Stühle zu Bruch, sieben Menschen werden verletzt. Dann kommt der große Auftritt von Roman (36), einem der sechs Sicherheitsleute, die das Turnier begleiten. Im Beisein eines pflichtbewussten Pressefotografen, der alles dokumentiert, schafft es der Wachmann, den Mann in der roten Jacke zu überwältigen.

Er hält ihn im Schwitzkasten, während die drei Komplizen schon Richtung Ausgang rennen. Der Zurückgebliebene ringt ums Entkommen und verliert dabei den Beutel mit einem Teil der Beute. Ein anderer Hotelangestellter nimmt diesen an sich und rettet so nach eigener Aussage 80 Prozent des Raubgutes. Doch weil seine Kumpane ihm zu Hilfe eilen, muss Roman den rot gekleideten Gangster laufen lassen. Zurück bleiben Scherben, ein ramponierter Wachmann und die Frage, wie viel die Gangster nun vor laufenden Kameras erbeutet haben. Die Polizei wollte gestern nichts bestätigen, doch die Spekulationen drehen sich um eine Summe zwischen 200 000 und 500 000 Euro.

Während in einem guten Actionfilm meist ein Fluchtauto wartet, traten die Räuber am Sonnabend zu Fuß den Rückzug an. In der nahen Einkaufsstraße verschwanden sie in der Menschenmenge. Das Pokerturnier wurde nach drei Stunden fortgesetzt, schließlich war noch Geld zum Gewinnen da. Auch für die ermittelnde Polizei wird es eine Fortsetzung geben.