Nahe der Inka-Stadt Machu Picchu sitzen rund 1000 Touristen fest - der Hamburger Dennis Meyer mit einem Exklusivbericht für abendblatt.de.

Aguas Caliente. Es sollte ein Höhepunkt ihrer Südamerika-Reise werden: der Besuch der Inkastadt Machu-Picchu in Peru. Nach schweren Unwetteren sitzen die Hamburger Dr. Sandra Otto und Dennis Meyer in dem Örtchen Aguas Caliente mit etwa 1000 Touristen fest und warten darauf, ausgeflogen zu werden. Exklusiv für abendblatt.de schildern sie die Erlebnisse der vergangenen Tage.

Hier ihr Bericht:

Wir möchten vorweg schicken, dass es uns Touristen den Umständen entsprechend gut ging. Viele Peruaner haben in Cusco und im Secret Valley Ihr Leben verloren, vielen haben Ihre Existenz verloren. Die Hauptverdienstquelle, der Tourismus, wird angeblich für sie nächsten drei Monate gesperrt sein, sodass die Leute hier noch mehr Probleme bekommen, da sie nun erstmal keine Existenzgrundlage mehr haben.

Sonnabend, 23.01.:

Bereits seit mehreren Tagen heftige Regenfälle in Cusco, dem Ausgangsort für Machu-Picchu-Ausflüge; Züge von PeruRail verlassen mit erheblicher Verspätung den Bahnhof Poroy; unser Zug verlässt gegen 10 Uhr die Station; (Aguas Calientes ist der einzige Ort am Fuße von Machu Picchu und ist nur mit dem Zug - vier Stunden Fahrt - oder durch mehrtägige Hikings durch den Dschungel zu erreichen); der Zug stoppt bald auf der Streccke; Grund dafür angeblich "nur" ein Erdrutsch auf der Strecke. Nach mehreren Stunden werden Busse organisiert, die die Touris zurück nach Cusco bringen. PeruRail bietet an, dass man am nächsten Tag umsonst fahren kann. Auf mehrfaches Nachfragen beteuern sie immer wieder, dass die Strecke sicher wäre. Zur Anmerkung: Die Strecke ist für Südamerika sehr teuer, 41 US-Dollar in der billigsten Touristenkategorie. PeruRail nimmt pro Tag mehrere 10.000 US-Dollar ein.

Sonntag, 24.01.:

Weiterhin starke Regenfälle; Perurail organisiert Schienenersatzverkehr zwischen Poroy und Ollantaytambo, ab da geht es mit immer wieder Stopps auf der Strecke mit dem Zug weiter. Angeblich ist alles sicher, aber der neben der Bahnstrecke verlaufende Fluss ist bereits ein reißender Sturzbach und sehr gestiegen. Immer wieder berührt das Wasser bereits die Gleise; dies ist der letzte Zug, der Aguas Caliente bzw. Machu-Picchu erreicht, dahinter brechen Gleise und Brücken weg. Das wird uns aber nicht gesagt. Nach mehrstündiger Verspätung erreicht der Zug Aguas Caliente. Die Rückfahrt soll mit dem Zug gemacht werden, es wären aber Bauarbeiten erforderlich. Zu diesem Zeitpunkt sind 1900 Menschen in der Station. Wir werden immer wieder hingehalten. Gegen 20 Uhr Ortszeit wird bekannt gegeben, dass es im Dunkeln nicht sicher wäre und deshalb der Zugverkehr eingestellt wird. Es gibt nicht genügend Hotelzimmer, die meisten Touristen übernachten im Zug, da Perurail verspricht, dass es am nächsten Morgen früh wieder weiter geht.

Montag, 25.01.:

Es kommen immer mehr Touristen an, die sich auf dem Inkatrail/Hiking befanden. Etwa 800 Personen. Am Morgen bricht die einzige Straße, die nach MP führt, weg. Bis zu diesem Zeitpunkt fuhren immer noch Busse voll mit Touristen darüber. Es brechen auch mehrere Häuser in AC weg, die Flussseite wird abgesperrt. Der Bahnhof wird evakuiert, er sei nicht mehr sicher. Später wird das wieder aufgehoben. Aus Platzmangel?

Gegen Mittag wird bekannt gegeben, dass alle Zufahrtswege blockiert bzw. nicht mehr da sind - und, dass wir geduldig sein sollen. Auf keinen Fall soll man versuchen, zu laufen, da außerhalb von AC überall Erdrutschgefahr und damit Gefahr für Leib und Leben besteht. Das Hauptproblem: Die meisten Touristen sind auf einem Tagesausflug und haben nichts dabei: keine Medikamente, keine Wechselsachen, kaum Bargeld oder Kreditkarten. Von offizieller Seite wird nichts weiter bekannt gegeben - außer das eine Luft-Evakuierung stattfinden soll. Es werden auf der Plaza sechs Zelte aufgebaut. Es wird versprochen, dass am Dienstag alle ausgeflogen werden. Heute kommt dreimal ein Helikopter und fliegt die Kränksten aus. Wir rufen die deutsche Botschaft in Lima an. DIe weiß von dem Problem, "kann aber nichts machen". Das Problem wird ganz allein der peruanischen Regierung überlassen. Es interessieren noch nicht einmal unsere Namen oder Passnummern.

Dienstag, 26.01.:

Wir erfahren, dass es zwei Tote auf dem Inkatrail wegen eines Erdrutsches gegeben hat (eine Argentinierin, ein peruanischer Guide). Mittlerweile haben viele Touristen Kontakt zu ihrer Botschaft aufgenommen. Die US-Armee will kommen und helfen, weitere Helikopter werden von Chile und Argentinien angeboten, das wissen wir sicher. Doch die peruanische Regierung verbietet das. Heute werden etwa 80 Personen ausgeflogen. Die Medien hier berichten über 600... Es wird freies Essen und Wasser verteilt. Das Hauptproblem: Immer wieder Stromausfälle, der einzige Bankautomat funktioniert nicht. Die Menschen haben kein Bargeld, können nichts kaufen, da viele keine Kreditkarten akzeptieren. Viele werden sogar aus Hotelzimmern rausgesetzt, da sie diese nicht bezahlen können. Außerdem werden die Preise teilweise unverschämt hochgesetzt. Von offizieller Seite gibt es immer noch keine Organisation oder Infos. Es bildet sich aus der Touristengruppe ein Kommitee mit Mitgliedern aus den einzelnen Ländern, die versuchen, dieses zu übernehmen. Es werden Zählungen per Unterschriftenliste durchgeführt, es sind etwa 3000 Touristen in Aguas Caliente. Es fliegt von 14 bis 17 Uhr Ortszeit etwa alle halbe Stunde ein Helikopter, um Kranke, Alte (60 und älter) und Mütter mit Kleinkindern auszufliegen.

Mittwoch, 27.01.:

Die Evakuierung geht immer noch sehr schleppend voran. (Helis fliegen von ca. 12:30 bis 18:00 Uhr) Von offizieller Seite hat sich immer noch keiner gefunden, um diese geordnet durchzuführen. Die Bildung der Evakuations-Gruppen macht weiterhin das "Touristenkommitee", die meisten Touris akzeptieren die Regeln und machen gut mit. Langsam wird Wasser und Essen knapp. Die Botschaften anderer Länder kümmern sich um ihre Landsleute. Wir wissen sicher, dass ein chilenischer Abgesandter einfliegt und Geld unter seinen Landsleuten verteilt und 50 Prozent der Hotelkosten bezahlt. Die deutsche Botschaft drückt auf Nachfrage ihr Bedauern aus...

Donnerstag, 28.01.:

Heute geht alles sehr schnell. Die Evakuierung startet schon gegen 8 Uhr. Diesmal fliegt ca. alle zehn bis 30 Minuten ein Helikopter. Das Fernsehen ist vor Ort und sogar auch mal jemand von der deutschen Botschaft, der aber mehr Verwirrung schafft, als das er hilft. Es werden Falschmeldungen per Mail und SMS an Deutsche versandt, die die Evakuierung eher verzögern. Es ist viel mehr Militär da und viele Mitglieder der US-Botschaft. Wir haben den Eindruck, dass diese die Evakuierung nun leiten, das wissen wir aber nicht sicher. Unter den Touristen herrscht große Verwirrung, da immer noch außerhalb der Bahnstation, von der aus die Helikopter fliegen, keiner weiß, wer sich wo und wann anstellen soll. Es herrscht ein großes Chaos - und bei vielen liegen die Nerven blank. Wir haben Glück und können gegen 15 Uhr Ortszeit als Nummern 611 und 612 des Tages einen Helikopter besteigen. Es sind aber zu diesem Zeitpunkt immer noch sehr viele Touristen in AC und MP, auch Deutsche.

Wir hoffen für alle, dass das Wetter gut bleibt und die Evakuierung nun zügig weiter geht. Dann sollten spätestens Sonntag alle Touristen "gerettet" worden sein

Dr. Sandra Otto und Dennis Meyer