Die Straßen sind dicht, Flughäfen waren gesperrt und nun fällt auch die Hälfte der ICE-Züge aus. Das Wetter sorgt für Chaos vor Weihnachten.

Hamburg. Chaos in Europas vorweihnachtlichem Flugverkehr: Durch Absagen, Verspätungen und Schließungen ganzer Flughäfen saßen tausende Passagiere in Frankfurt, Mailand, Amsterdam oder London fest. Auch der Berliner Flughafen Tegel wurde am Dienstag wegen Blitzeis vorübergehend geschlossen. Der Zugverkehr in Deutschland normalisierte sich am Dienstag hingegen weitgehend. „Mit den steigenden Temperaturen entspannt sich auch die Betriebslage“, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin. Wegen des Winterwetters gebe es auf manchen Verbindungen noch kleinere Verspätungen, und „es kann auch mal ein einzelner Zug ausfallen." Insgesamt rollten die Züge aber problemlos.

In den kommenden Tagen wird sich das auf der ICE-Strecke Berlin-Leipzig-Nürnberg-München allerdings ändern. Ausgerechnet im Weihnachtsverkehr fällt hier jeder zweite Zug aus. Nach Angaben der Deutschen Bahn werden die ICE-Schnellzüge auf dieser Verbindung vom 23. bis 27. Dezember nur im Zwei-Stunden-Takt statt wie üblich jede Stunde fahren. Zur Begründung hieß es, die Züge müssten wegen des Winterwetters besonders intensiv gewartet werden. Einzelheiten konnte ein Sprecher auf Anfrage nicht nennen. Es handele sich aber nicht um einen technischen Defekt.

Das Unternehmen bemühe sich, möglichst viele Ersatzzüge bereitzustellen, sagte der Bahnsprecher weiter. Er bat die Fahrgäste, sich im Internet unter www.bahn.de/aktuell oder unter der Telefonnummer 01805996633 darüber zu informieren, welche Züge fahren. Für die Reisetage ab Donnerstag (24.12.) stünden die Fahrpläne am Mittwoch (23.12.) zur Verfügung.

Im Blick auf das Thermometer zeigte sich Deutschland zweigeteilt: Während im Südwesten Temperaturen von bis zu 13 Grad gemessen wurden, blieb es im Nordosten mit bis zu minus vier Grad weiter frostig. Dort stehen auch die Chancen für eine Weiße Weihnacht besonders hoch. Wetter extrem hieß es in Freiburg: Dort stieg die Temperatur innerhalb von zweieinhalb Tagen um 34 Grad Celsius. Auf Deutschlands größter Luftverkehrs-Drehscheibe, dem Flughafen in Frankfurt/Main, waren 8000 Menschen in der Nacht zum Dienstag durch eine wetterbedingte mehrstündige Airport-Schließung blockiert. Nach Auskunft des Fraport-Sprechers Jürgen Harrer wurden allein am Montag 230 Verbindungen gestrichen. Bis Dienstagnachmittag waren 150 weitere Flüge annulliert – doch die Probleme noch nicht behoben. „Wir rechnen für Mittwoch wieder mit Normalbetrieb“, sagte der Sprecher.

Empörte Passagiere äußerten Unmut und Frust. Mehr als 3000 von ihnen verbrachten die Nacht auf dem Frankfurter Flughafen, nachdem die zugeschneiten Start- und Landebahnen gesperrt worden waren. Helfer stellten rund 1000 Feldbetten auf. Weitere 5000 Flugreisende wurden in umliegenden Hotels untergebracht. Auch nach Öffnung der Startbahnen am Dienstagmorgen hielten Behinderungen an. Betroffen seien Ziele in der ganzen Welt, sagte ein Flughafensprecher. Der Luftverkehrsrechtler Ronald Schmid betonte im Gespräch mit dem dpa-Themendienst, dass Betroffene von Unternehmen Schadenersatz fordern können, sofern diese keine Übernachtung organisiert haben. Das gelte für in der Europäischen Union (EU) beginnende Flüge sowie weitere Flüge mit Airlines, die ihren Sitz in der EU haben. Wer am Terminal übernachte, gehe aber leer aus, sagte Schmid mit Hinweis auf ein Urteil des Amtsgerichts Erding in Bayern (Az.: 4 C 661/06).

Schnee und Eis plagten auch Flughäfen in Großbritannien. Der Billigflieger Easyjet strich am Airport Luton (bei London) bis zum Mittag alle Verbindungen. In Italien saßen mehr als 1000 Passagiere fest. Die Mailänder Flughäfen Malpensa und Linate mussten zeitweise geschlossen werden, auf den Autobahnen der Emilia-Romagna kamen Autofahrer kaum noch voran. In Mailand waren 800 Soldaten eingesetzt, um dort dem Schnee-Notstand zu begegnen. Entspannung dagegen in Belgien, Österreich, Tschechien, Bulgarien und vor allem in Spanien, wo die Kältefront bereits abgezogen ist. Der Schnee, der noch am Montag den Madrider Flughafen teilweise blockiert und zur Absage von mehr als 300 Flügen geführt hatte, war am Dienstag geschmolzen. Der Flugverkehr normalisierte sich.

Eisglatte Straßen führten in Deutschland trotz regional einsetzender milderer Temperaturen erneut zu zahlreichen Unfällen. In Niedersachsen war die Autobahn 7 zwischen Hildesheim und dem Kreuz Hannover-Süd vorübergehend nach dem Unfall zweier Lastwagen gesperrt. Der bayerisch-tschechische Grenzübergang Waidhaus wurde in der Nacht wegen eines Unfalls zeitweise gesperrt. Der ADAC warnte angesichts des Tauwetters bei frostigem Boden vor Blitzeis und Eisregen und hatte einen besonderen Rekord zu vermelden: Am Montag – dem kalendarischen Winteranfang mit dem kürzesten Tag des Jahres – ging dort alle drei Sekunden ein Notruf ein. Mit 28.654 Einsätzen der „Gelben Engel“ wurde der bisherige Rekord von 25386 Pannenhilfen vom 7. Januar 2009 übertroffen. 90 Prozent der Hilfesuchenden hatten Startprobleme wegen schwacher Batterien.

Mit originellen, aber nicht immer wirksamen Lösungen sorgten Kältegeplagte für Schlagzeilen. Im österreichischen Kärnten etwa hat ein Rentner sein Auto mit einem Heizstrahler enteisen wollen und es damit zum Explodieren gebracht. Der Wagen und die Garage brannten aus. Fahrlässig handelte ein Betrunkener in Celle (Niedersachsen), der an seinem komplett schneebedeckten Auto nur ein kleines Guckloch freigekratzt hatte. Polizisten stoppten ihn auf eisglatter Straße. Ein Alkoholtest ergab 2,43 Promille.