Zwei Botschaften vermittelt die aktuelle Rote Liste der Wirbeltiere: Artenschutz lohnt sich, doch die Natur ist längst nicht über dem Berg.

Bonn. Fischotter und Wildkatze sind auf dem aufsteigenden Ast; sie zählen zu den Siegertypen in der deutschen Tierwelt. Dies ist eine der frohen Botschaften der neuen Roten Liste der Wirbeltiere in Deutschland, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn gestern veröffentlichte. Eine zweite Botschaft lautet: Naturschutz zahlt sich aus. So verdanken neben dem Fischotter und der Wildkatze auch Wolf, Biber, die Fransenfledermaus, ihre Verwandte, das Große Mausohr, und Seehunde ihr allmähliches Comeback, Dank der Anstrengungen im Natur- und Umweltschutz.

Der Uhu befindet sich schon länger im Aufwind. Auf der Roten Liste des Jahres 1984 war er als "stark gefährdet" eingestuft, zehn Jahre später als "gefährdet", und jetzt flog er von der Liste herunter. Aber es gibt auch "unverändert starke Rückgänge", mahnt das BfN, etwa beim Feldhamster, Kiebitz, Gold- und Seeregenpfeifer, Wendehals und bei der Bekassine. Hier sieht die BfN-Präsidentin Beate Jessel weiteren Handlungsbedarf, "insbesondere in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft". Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), dessen ehrenamtliche Helfer einen Teil der Daten für die Bestandserhebung lieferten, formuliert es drastischer: "Arten wie Feldhamster, Kampfläufer und Kiebitz verschwinden, wenn der Naturschutz nicht konsequent verstärkt wird."

36 Prozent der insgesamt 478 untersuchten Arten der Gruppen Säugetiere, Vögel, Kriechtiere, Lurche und Süßwasserfische sind in ihrem Bestand bedroht, weitere sieben Prozent bereits ausgestorben. "Die Roten Listen sind der wichtigste Indikator für den Zustand der Arten in Deutschland. Fast die Hälfte unserer Wirbeltierarten ist in ihrer Existenz bedroht und bedarf daher unmittelbarer Hilfe", kommentierte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller die Situation.

Besonders schwer haben es die Kriechtiere (Eidechsen und Schlangen): 60 Prozent (acht von 13 Arten) sind mehr oder weniger stark gefährdet. Den Wärme liebenden Tieren fehlen sonnige Plätze zum Energietanken und zur Eiablage. Bei den anderen Tiergruppen schwankt der Anteil der gefährdeten Arten zwischen 30 und 40 Prozent.

Zu den Schätzen des hiesigen Tierreiches zählen die sogenannten endemischen Arten, also Spezies, die nur in Deutschland vorkommen. Ist ihre Anzahl sehr klein oder ihr Lebensraum sehr begrenzt, dann ist die Gefahr des Aussterbens groß. Sieben der acht endemischen Wirbeltierarten sind Fische (die Ausnahme bildet die Helgoländer Hausmaus). Bereits ausgestorben sind der Bodenseekilch und Bodensee-Tiefseesaibling - die Chiemsee-Renke und der Ammersee-Kilch könnten schon bald folgen, fürchten die Spezialisten vom BfN.

Fest steht: Trotz einiger Lichtblicke in der jüngsten Bilanz ist die Natur längst nicht über dem Berg. So wird Deutschland das EU-Ziel, das Artensterben bis zum Jahr 2010 zu stoppen, "deutlich verfehlen", räumt das BfN ein.