Beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat man die Ankündigung des Bundesverkehrsministers, in der Offshore-Windindustrie könnten in den nächsten Jahren 30 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, mit einer Mischung aus Genugtuung und Skepsis aufgenommen.

Berlin. Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte dem Hamburger Abendblatt am Wochenende gesagt, Deutschland könne mit dem Bau von 40 Offshore-Windparks die Vorreiterrolle einnehmen.

Dazu meinte BUND-Energieexperte Thorben Becker gestern, hinter diesen Plänen gebe es noch "ein großes Fragezeichen". Schließlich stehe am 27. September eine Bundestagswahl an und mit ihr eine Richtungsentscheidung: "CDU/CSU und FPD haben angekündigt, dass sie neue Kohlekraftwerke bauen und die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängern wollen. Beides ist kontraproduktiv für den Ausbau der erneuerbaren Energien." Abgesehen davon, so Becker, koste die Errichtung einer Offshore-Anlage mindestens doppelt so viel wie ein Onshore-Windpark: "Das ist ja keine Technik, die man von der Stange kaufen kann!"

Mit der am 1. Januar in Kraft getretenen Novellierung des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien, kurz: EEG, hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf einen Anteil zwischen 25 und 30 Prozent zu erhöhen. Wenn das tatsächlich gelinge, sei das nicht Tiefensees Verdienst, sagte FDP-Verkehrsexperte Patrick Döring gestern. Der Minister legt dem Bundeskabinett morgen zwar einen neuen Raumordnungsplan für die deutschen Küsten vor, dieser Raumordnungsplan sei aber erst auf massiven Druck der Wirtschaft und der Umweltverbände zustande gekommen. Der alte, der gerade einmal ein Viertel der jetzt ausgewiesenen Fläche umfasst habe, "hätte der Windkraft an den deutschen Küsten beinahe den Garaus gemacht".

Zu den Befürchtungen, dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung die im EEG formulierten Ziele torpedieren werde, indem sie wieder verstärkt auf Kohle- und Atomkraft setze, meinte Döring gegenüber dem Hamburger Abendblatt: "CDU/CSU und FDP werden einen vernünftigen Mix aus beidem herstellen." Die immer wieder aufflammende Kritik, dass sich bestimmte Bundesländer die Windparks aus ästhetischen Gründen vom Leibe halten - Hessen gewinnt gerade einmal 0,5 Prozent seiner Energie aus Windkraft, in Bayern und Baden-Württemberg sind es jeweils 0,8 Prozent - ließ Döring ebenfalls nicht gelten: "Die Akzeptanz für Onshore-Anlagen sinkt ständig. Statt mit wenigen Windrädchen für Verwerfungen in den Kommunen zu sorgen, sollten wir jetzt effiziente Offshore-Windparks bauen." Vorher brauche man allerdings eine Referenzanlage, um zu sehen, wie sich eine Offshore-Anlage auf die Schiffssicherheit, auf die Meeresfauna und die Fischerei auswirke.

Tatsächlich steht außer im 45 Kilometer nördlich von Borkum gelegenen Testfeld "alpha ventus" noch kein Windrad in deutschen Gewässern. Laut Ministerium sind 22 Genehmigungen erteilt. Drei davon in der Ostsee. "Baltic 1" ist am weitesten fortgeschritten. Nach Planungen des baden-württembergischen Unternehmens EnBW Renewables GmbH soll die Anlage bis zum Winter 2010/2011 fertiggestellt sein. "Baltic 1" liegt 15 Kilometer vor der Halbinsel Darß. In Prerow und Ahrenshoop sorgt man sich um den Tourismus: Die 21 Windräder werden bis zu 120 Meter aus der Ostsee ragen.