Der Rockerkrieg geht in eine noch erbittertere Phase. In Bottrop wurde ein Rocker auf offener Straße erschossen, in Berlin löste sich eine ganze Bandidos-Division auf. Und in Kiel wird immer noch nach einer einbetonierten Leiche gesucht.

Bottrop/Berlin. Erst sorgte Kiel für Aufregung: Die Suche nach einer einbetonierten Leiche in einer Lagerhalle machte die Dimensionen der Rocker-Machenschaften in Deutschland deutlich und erinnersten beinahe an Mafia-Vorgehen. Nun gab es die nächsten Schlagzeielen: Auf offener Straße wurde in Bottrop ein Mann erschossen, wohl ein Bandidos-Rocker. In Berlin dann verwirrende Vorgänge: Hier wechselten mehrere Gruppen der Bandidos zu eigentlichen Todfeinden, den Hells Angels, über.

Der 49-jährige Totewurde am Dienstagmorgen mit einer tödlichen Schusswunde neben seinem Motorrad in der Nähe von Bottrop gefunden, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Die Bluttat löste Spekulationen über eine neue Fehde zwischen den konkurrierenden Banden Bandidos und Hells Angels aus. Konkrete Anhaltspunkte gab es dafür zunächst nicht.

Es gab es auch weitere Nachrichten aus der Welt der berüchtigten Rockerclubs: In Berlin traten mehrere Untergruppen der Bandidos zu den eigentlich verfeindeten Hells Angels über. In einer Lagerhalle bei Kiel wurde weiter vergeblich nach der Leiche eines Mannes gesucht, der den Hells Angels in Quere gekommen sein soll.

Der im Ruhrgebiet getötete Rocker sei Mitglied, aber kein Anführer der Bandidos gewesen, sagte der Staatsanwalt. Der Mann sei nicht mehr ansprechbar gewesen, als er gefunden wurde, sagte der Staatsanwalt. In diesem Jahr gab es im Ruhrgebiet bereits mehrere Delikte mit Beteiligung der Rocker. Im Februar waren bei einer Messerstecherei mit Anhängern der Bandidos in einer Essener Bordellstraße vier Menschen verletzt worden. Im Januar waren Rocker von Bandidos und den konkurrierenden Hells Angels bei einer Massenschlägerei in Mönchengladbach aufeinander losgegangen. Dabei wurde ein Mann lebensgefährlich verletzt.

In Berlin traten jetzt mehrere Untergruppen – sogenannte Chapter - der Bandidos sind zu den Hells Angels über. „Wir sehen das als Schritt im Kampf um Einflussgebiete“, sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf und bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Ermittler rechnen nun damit, dass sich die verbleibenden Bandidos an den Überläufern rächen könnten. „Nach Übertritten in der Vergangenheit gab es entsprechende Vergeltungsaktionen“, sagte Neuendorf. Die Polizei werde darum vertärkt Kontrollen im Rockermilieu durchführen und Präsenz zeigen.

Auf ihrer Webseite begrüßten die Hells Angels die Berliner Bandidos-Untergruppe Southside als Neuling. Das Chapter Southside soll sich nach übereinstimmenden Berichten aufgelöst und den Hells Angels in Potsdam angeschlossen haben. Auch die Untergruppe South Central hat offenbar die Seiten gewechselt: Nach Polizeiangaben wurden die Club-Symbole am Vereinsheim in der Streustraße in Berlin-Weißensee gegen die der Hells Angels ausgetauscht.

Nach „Bild“-Informationen könnte ein „hoher Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden“ ein Grund für den Ortswechsel des Chapters Southside sein. Schon in der Vergangenheit sei eine Berliner Gruppe der Hells Angels nach Brandenburg ausgewichen.

Der Berliner Übertritt könnte möglicherweise mit einem drohenden Verbot von Rockerclubs zusammenhängen. Wie „Spiegel Online“ berichtet, soll in der Berliner Senatsinnenverwaltung eine Verbotsverfügung vor dem Abschluss stehen. An diesem Mittwoch sollen demnach Vereinsheime, Kneipen und Privatwohnungen von Mitgliedern durchsucht werden. Weder Innensenator Frank Henkel (CDU) noch Polizei wollten sich dazu aus „ermittlungstaktischen Gründen“ äußern. In Berlin wird seit längerer Zeit ein Verbotsverfahren geprüft.

Zuletzt hatte es in Kiel und Hannover großangelegte Polizeiaktionen gegen die Rocker gegeben. Rund 1200 Beamte durchsuchten in Norddeutschland Bordelle, Kneipen und Wohnungen. Es kam in Kiel zu fünf Verhaftungen.

Die Großrazzia war auch der Auslöser für die Suche nach der Leiche eines Mannes, der wegen Drogengeschäften mit den Hells Angels aneinandergeraten sein soll, im Boden einer Lagerhalle in Altenholz bei Kiel. Die Suche blieb bisher ohne Ergebnis. Man habe zunächst das Betonfundament der Halle abgetragen, dann werde der Untergrund darunter untersucht, erklärten die Ermittler. Für die „intensive Spurensuche“ seien nun Spezialisten vom Landeskriminalamt im Einsatz. „Wir wissen noch nicht, in welchem Tempo wir es schaffen, diese akribische Arbeit durchzuführen“, sagte ein Sprecher an dem weiträumig abgesperrten Einsatzort. (dpa)