An Flatrate-Sex bereichert: Weil sie Dutzende junge osteuropäische Frauen in ihren Bordellen ausgebeutet und deren Sozialbeiträge hinterzogen haben sollen, stehen Betreiber von vier sogenannten Flatrate-Bordellen seit Mittwoch vor dem Stuttgarter Landgericht.

Stuttgart. In den vier Häusern in Fellbach bei Stuttgart, Wuppertal, Heidelberg und Berlin hatten die Hauptangeklagten ihren Kunden gegen pauschale Preise zwischen 70 und 100 Euro unbegrenzte sexuelle Dienstleistungen plus Essen und Trinken angeboten.

In 64 Fällen sollen die Angeklagten „gemeinschaftlichen gewerbs- und bandenmäßigen Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft“ betrieben haben. Außerdem wird den Angeklagten – drei Frauen und drei Männern zwischen 22 und 30 Jahren – vorgeworfen, Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 2,3 Millionen Euro hinterzogen zu haben. Die Beschuldigten hätten die Absicht verfolgt, „sich persönlich zu bereichern“, sagte die Staatsanwältin Stefanie Bittner-Wendland.

Mussten sich „Freiern zur Verfügung halten“

Das Geschäftsmodell der Flatrate-Bordelle hatte im Sommer deutschlandweit für Diskussionen gesorgt. Viele Politiker hatten ein Verbot des Geschäftsmodells gefordert.

Die vier Hauptangeklagten sollen zusammen mit einer weiteren Angeklagten in den sogenannten „Pussy-Clubs“ in Stuttgart, Wuppertal, Heidelberg und Berlin-Schönefeld eine Vielzahl junger Frauen ohne Arbeitserlaubnis angestellt haben. Dem sechsten Beschuldigten wird Beihilfe zu den Taten zur Last gelegt. Die meisten Prostituierten, viele von ihnen unter 21 Jahren, stammten aus Rumänien, ebenso wie vier der sechs Angeklagten.

Für die Prostituierten wären nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eigentlich Sozialabgaben fällig gewesen, weil sie in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet hätten. Die Angeklagten hätten die Frauen aber – bewusst falsch – als Selbstständige behandelt.

Keinerlei unternehmerisches Risiko

Die Prostituierten hätten keine Arbeitnehmerrechte geltend machen können, betonte Staatsanwältin Bittner-Wendland. Sie hätten sich für eine feste Tagespauschale von 100 bis 200 Euro pro Tag ihren Freiern zur Verfügung halten müssen; ihre Arbeitszeiten hätten sich nach den Öffnungszeiten der Clubs gerichtet. Außerdem hätten sie - trotz angeblicher Selbstständigkeit – keinerlei unternehmerisches Risiko getragen, weil ihnen Arbeitsmaterial und Arbeitsräume unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden seien. Ihr Geld soll den Frauen bar ausgezahlt worden sein.

Bei einer bundesweiten Razzia hatte die Polizei die Bordelle am 26. Juli letzten Jahres durchsucht. Vier Angeklagte waren danach in Untersuchungshaft gekommen.

Beim Prozessauftakt am Montag wurde lediglich die Anklageschrift verlesen. Alle Beschuldigten weigerten sich, Angaben zu ihrem Lebenslauf zu machen. Betroffene Prostituierte traten am ersten Prozesstag nicht in Erscheinung. Der Prozess wird am 5. März fortgesetzt, ein Urteil wird für den 6. Mai erwartet.