Aurubis-Trainer Helmut von Soosten über die Krise seiner Bundesliga-Volleyballerinnen. Von Europapokal-Vorfreude ist beim Volleyballteam Aurubis wenig zu spüren.

Hamburg. Von Europapokal-Vorfreude ist beim Volleyballteam Aurubis wenig zu spüren. Vor dem Drittrundenhinspiel im Challenge Cup an diesem Mittwoch (20 Uhr, CU-Arena) gegen den kroatischen Vertreter OK Porec drückt die Negativserie in der Bundesliga – neun Niederlagen aus neun Spielen – auf die Stimmung. Aurubis steht in der Bundesliga mit nur zwei Punkten am Tabellenende. „Wir sind bislang klar hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, sagt Präsident Horst Lüders, „der Trainer hat die Spielerinnen bekommen, die er wollte. Jetzt müssen sie langsam mal die Qualität nachweisen, die angekündigt wurde.“ Auch der Trainer müsse sich sonst irgendwann Gedanken um seinen Job machen. Das allerdings tut Helmut von Soosten, 49, grundsätzlich.

Hamburger Abendblatt: Herr von Soosten, wie groß ist Ihre Sorge, bald nicht mehr Cheftrainer des VT Aurubis zu sein?

Helmut von Soosten: Momentan mache ich mir keine Sorgen, weil man diese Diskussion bislang nicht an mich herangetragen hat.

Aber wenn man nach neun Spielen und damit der Hälfte der Hauptrunde ohne Sieg Tabellenletzter ist, sind Diskussionen auch um den Trainer normal.

Von Soosten: Uns allen war bewusst, dass es eine harte Saison wird. Gerade im Volleyball ist es wichtig, ein eingespieltes Team zu haben. Wir haben, auch aufgrund der finanziellen Einschnitte im Sponsoringbudget neun von zwölf Spielerinnen ausgetauscht. Dass es dann dauert, bis alles klappt, ist verständlich bei einem Team mit einem Altersdurchschnitt von 22 Jahren.

Andererseits hatten Sie im Sommer das gesamte Team zur Vorbereitung beisammen, und Sie waren sich vor der Saison sicher, dass die Mannschaft in der Bundesliga mithalten kann. Haben Sie Ihre Spielerinnen überschätzt?

Von Soosten: Ich werde die Schuld nicht auf die Spielerinnen schieben. Meine Aussage war, dass wir auf keiner Position überdurchschnittliche Spielerinnen haben, aber in der Gesamtheit ein Team, das mithalten kann. Dazu stehe ich. Und wir haben das in vielen Phasen ja auch gezeigt, wir hatten viele Chancen, wenigstens zwei Sätze zu gewinnen und dadurch Punkte zu sammeln. Mit den Teams zwischen Platz sechs und acht können wir gut mitspielen, und bisweilen klappt das auch gegen Spitzenmannschaften, was wir gegen Schwerin und im Pokal in Dresden nachweisen konnten.

Aber wenn man am Ende doch fast immer mit leeren Händen dasteht, ist das auch eine Qualitätsfrage.

Von Soosten: Das stimmt. Unser Problem ist, dass wir unsere guten Trainingsleistungen nicht in konstante Wettkampfhärte umsetzen können. Wir sind manchmal nicht clever genug, um Führungen ins Ziel zu retten. Und wir haben es bislang in noch keinem Spiel geschafft, mit einer Stamm-Sieben konstant durchzuspielen, weil es immer eine Spielerin gab, die nicht ihre normale Leistung abrufen konnte. Deshalb musste ich auch so häufig umstellen, was sicher nicht gut war. Ich hätte auch lieber eine feste Aufstellung, das hätte uns sicherlich mehr gebracht. Voraussetzung für einen Sieg ist aber, dass die Stammspielerinnen alle ihr Niveau erreichen und eine auch mal über sich hinauswächst. Wenn aber regelmäßig eine abfällt und keine da ist, um sie zu ersetzen, können wir nicht gewinnen. Ausfälle wie zum Beispiel den am vergangenen Sonnabend in Stuttgart von Anika Brinkmann, die bislang unsere beste Außenangreiferin war, können wir nicht kompensieren.

Jetzt haben Sie mit Jovana Gogic eine neue Zuspielerin geholt und damit immerhin ein Qualitätsproblem zu beheben versucht. Hätten Sie da früher reagieren müssen?

Von Soosten: Alyssa Valentine hat noch nicht konstant das umgesetzt, was wir erwartet hatten. Aber sie ist von Spiel zu Spiel besser geworden. Dennoch bin ich froh, dass Jovana bei uns ist, sie wird uns helfen. Allerdings geht das auch nicht sofort, sie hat zwar einen sehr guten Spielstil, aber der Rhythmus mit den Mitspielerinnen passt noch nicht richtig. Das braucht Zeit, die wir leider nicht haben. Wir sind eben einfach noch nicht so weit, das muss man auch mal akzeptieren.

Ihr Präsident Horst Lüders sagt, das Team hinke den Erwartungen weit hinterher. Sehen Sie das auch so?

Von Soosten: Nein, hinter den Erwartungen sind wir zurückgeblieben, wenn wir am Saisonende dort stehen, wo wir jetzt stehen. Ich sehe es so, dass die Ergebnisse leider noch nicht das widerspiegeln, was wir leisten. Ich will und kann aber niemandem vorwerfen, dass er nicht alles für den Erfolg tut. Alle geben alles!

Wenn das alles ist, muss man dann nicht doch befürchten, dass es nicht ausreicht für den Klassenerhalt? Sind Sie nicht auch enttäuscht von den bisherigen Leistungen?

Von Soosten: Ich bin enttäuscht darüber, dass wir unsere vielen Chancen nicht genutzt haben. Wir hätten locker ein paar mehr Punkte haben können, und dann würden wir jetzt nicht über solche Dinge reden. Und wenn ich sage, dass alle alles geben, heißt das nicht, dass alle auch ihr Potenzial abrufen. Da ist noch einiges mehr drin, und wir werden weiter daran arbeiten, um das rauszuholen. Aber die Brechstange hilft jetzt auch nicht.

Was dann? Das Team wirkt mittlerweile stark unter Druck. Könnte ein Psychologe helfen?

Von Soosten: Ein Patentrezept habe ich nicht, konkrete Pläne für den Einsatz eines Psychologen gibt es auch nicht. Ich glaube, dass uns die Bundesligapause bis zum 8. Januar helfen wird, wir haben Zeit, uns zu regenerieren, neu zu finden und weiter einzuspielen. Und ich freue mich über die Spielpraxis im Europapokal, die die Mannschaft weiterbringt. Die beiden Siege in der zweiten Runde haben allen gutgetan.

Was also macht Ihnen Mut, dass Ihr Team den letzten verbliebenen Konkurrenten Köpenicker SC noch einholt und den Abstieg verhindert?

Von Soosten: Die Einstellung und Arbeitsmoral der Mannschaft. Natürlich wird intern diskutiert, aber alle halten zusammen und machen gemeinsam weiter. Das wird sich auszahlen. Wir werden in der Rückrunde die Fehler minimieren, effizienter werden, befreiter aufspielen und die nötigen Siege schaffen. Davon bin ich überzeugt.