Die Außenangreiferin hat nach Jahren der Suche nach sich selbst beim Volleyballteam Aurubis wieder in der Bundesliga Fuß gefasst. Am Sonnabend spielt die Mannschaft gegen Münster.

Hamburg. Sie hat es uns Journalisten leicht gemacht in den vergangenen Wochen, diese Anika Brinkmann. Wann immer über die Spiele des Volleyballteams Aurubis zu berichten war, musste in der Rubrik „beste Punktesammlerin“ nur die Anzahl der Punkte ausgetauscht werden. Der Name steht seit sieben Partien in Serie wie in Stein gemeißelt. Anika Brinkmann ist das fast ein wenig unangenehm. „Ich steche derzeit vielleicht heraus, weil ich die meisten Bälle bekomme, aber die anderen sind auch richtig gut“, sagt sie.

Bescheidenheit ist eine Zier, im Fall der 27 Jahre alten Außenangreiferin aber sind alle Lobeshymnen gerechtfertigt. In einem Team, das auf neun Positionen neu zusammengestellt wurde und auch deshalb in der Bundesliga nach sieben Spielen sieglos das Tabellenende ziert, ist Brinkmann der einzige Neuzugang, der – abzüglich dreier Spiele Eingewöhnungszeit – konstant gutes Bundesliganiveau nachweist. Das ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass die 177 cm große Athletin mit Leistungsvolleyball auf höchster nationaler Ebene schon fast abgeschlossen hatte.

Im Sommer 2009 wurde ihr Kontrakt beim USC Münster, an diesem Sonnabend (18 Uhr/CU-Arena) zu Gast in Hamburg, trotz einer Laufzeit bis 2010 aufgelöst. Einvernehmlich zwar, „aber nicht im Guten. Ich hatte daran immens zu knabbern“, sagt sie. Wo sie danach auch versuchte, Fuß zu fassen, ob in Aachen, Erfurt oder Suhl, es gelang nicht. „Irgendwie bin ich immer weggelaufen, aber nirgendwo mehr angekommen. Am Ende hatte ich ein Burn-out“, sagt sie. Nach dem Aus in Suhl 2011 zog sie die Notbremse und hörte komplett mit dem Sport auf, bis ein halbes Jahr später Zweitligist Sonthofen anfragte. Dort spürte sie, dass sie wieder bereit war für Volleyball, ging im Sommer 2012 nach Oythe, wo ihre Mutter Danuta Trainerin ist, ließ sich auf die Transferliste setzen. Aurubis-Cheftrainer Helmut von Soosten war der einzige Bundesligacoach, der sich meldete. „Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat“, sagt sie.

Von Soosten sah in der sprung- und schlaggewaltigen Halbpolin, die in Vechta geboren wurde, in Emlichheim aufwuchs und dort als 15-Jährige in der Bundesliga debütierte, genau das Element, das in der vergangenen Saison gefehlt hatte. „Sie bringt dieses Arschloch-Gen mit, diese unbändige Aggressivität dem Gegner gegenüber, die unbedingten Siegeswillen ausstrahlt“, sagt er. Anika Brinkmann muss darüber lachen, sie weiß um ihren Ruf, der ihr vorauseilt: Dass sie auch im eigenen Team bisweilen für ein Reizklima sorgt. „An früheren Stationen war das so, ich bin eben jemand, der seine Meinung auch mal ungefiltert sagt. Ich wurde schon oft von neuen Mitspielerinnen angesprochen, die mich als Gegnerin als unausstehlich zickig empfunden haben und dann überrascht waren, als sie mich kennengelernt hatten“, sagt sie.

Diesen Schuss Verrücktheit, das Impulsive, habe sie von ihrer Mutter geerbt. Wer jedoch weiß, dass ihr Vater der Bruder des für seine Eskapaden berüchtigten Ex-Fußballprofis Ansgar Brinkmann ist, wundert sich über nichts mehr. „Wegen meiner vielen Vereinswechsel wurde ich mit ihm verglichen, aber das nehme ich nicht hin“, lacht sie. Auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn wandelt jedoch auch Anika Brinkmann gern, was besonders bei ihren risikoreichen Sprungaufschlägen deutlich wird. Solange das Genie den Wahnsinn klar überwiegt, kann sich das VT Aurubis über eine tolle Verstärkung freuen.