Eine gemeingefährliche Attacke hat die 14. Etappe der Tour de France überschattet. Unbekannte streuten Nägel auf die Straße - Sanchez gewinnt.

Foix. Kälte, Hagel, Reißnägel auf der Straße: Einen Tag nach dem famosen Sprintsieg von André Greipel an der sonnigen Mittelmeerküste hat eine lebensgefährliche Attacke die Radprofis der Tour de France aufgeschreckt. Auf der 14. Etappe, die der Spanier Luis-Leon Sanchez als Solist einer anfänglichen Spitzengruppe gewann, hatten Unbekannte am letzten Berg Nägel auf der Straße verstreut und damit Dutzende Reifenschäden verursacht. Leidtragende der Aktion waren auch die Favoriten auf die Gesamtwertung, die sich im Anschluss am Sonntag auf einen Nichtangriffspakt einigten.

"Das ist kein Radsport mehr“, schimpfte Marcus Burghardt im Ziel. "Da muss war unternommen werden.“ Die Solidaritätsaktion, die vor allem seinem BMC-Kapitän Cadel Evans half, fand der Sachse "fair“, angesichts der Umstände "aber selbstverständlich“. Rund 30 Unfälle zählte Renn-Direktor Jean-Francois Pecheux an der Mur de Péguère, dem letzten Berg der 191 Kilometer langen Etappe von Limoux nach Foix. "Wir werden die Gendarmerie einschalten“, kündigte er an. BMC-Teamdirektor Jim Ochowicz betonte: "Das war ein krimineller Akt.“

Tagessieger Sanchez, der sich bei zum Teil heftigem Regen und eisigen Temperaturen am besten zurechtfand, bekam von dem Vorfall nichts mit, als er als Solist schon lange vor der Ziellinie jubeln durfte. Der Rabobank-Fahrer erinnerte bei seinem insgesamt vierten Tour-Etappensieg mit einem Blick nach oben an seinen tödlich verunglückten Bruder. Kurz vor der Ziellinie nuckelte er dann am Daumen – seine Frau erwartet ein Kind.

Elf Kilometer vor Foix hatte Sanchez seine Mitstreiter um den Youngster und Träger des Grünen Trikots, Peter Sagan, distanziert. "Ich wusste, dass es gegen Sagan im Sprint schwierig werden würde, also musste ich ihn auf eine andere Weise angreifen“, erzählte Sanchez. Der junge Slowake, der am Vortag im Zielsprint noch Greipel unterlegen war, wurde dann Zweiter vor Sandy Casar aus Frankreich.

In der Gesamtwertung blieb alles beim Alten: Bradley Wiggins liegt weiter 2:05 Minuten vor seinem Landsmann und Sky-Teamkollegen Christopher Froome und den Italiener Vincenzo Nibali (+2:23). Vierter bleibt Evans, der dreimal seine von Nägeln aufgespießten Reifen wechseln musste und mit einem Schrecken davonkam. Teamchef Jean Lelangue präsentierte im Ziel zwei etwa ein Zentimeter lange Metallnägel, die in den Reifen von Evans Rädern steckten.

Tour-Sprinterkönig Greipel hatte mit seinem Erfolg am Sonnabend ein Zeichen gesetzt, dass der Kampf um Olympiagold in London am 28. Juli wohl nur über ihn führen dürfte. "Ein paar Dinge haben wir schon im Kopf“, äußerte sich der gebürtige Rostocker noch zurückhaltend. Große Worte sind nicht die Welt des Kraftpakets vom Lotto-Team. Aber Weltmeister Mark Cavendish, in Cap d'Agde 8:36 Minuten nach Greipel im Ziel, weiß, was ihn bei seinem "Heimspiel“ in London erwarten wird. Sein in der Schweiz lebende Rivale hat Gold im Visier.

Dass er dafür reif ist, hatte er auf der 13. Etappe eindrucksvoll bewiesen. Greipel meisterte nicht nur die schwierige Steigung hinauf auf den Mont Saint-Clair, sondern überzeugte auch im Sprint. Auf den letzten Kilometern musste er auf seinen überragenden Sprintzug verzichten, spekulierte aber goldrichtig auf ein anderes Hinterrad. In London wird er voraussichtlich wieder improvisieren müssen.

Bis dahin kann er aber noch deutsche Radsport-Geschichte bei der Tour schreiben: Drei potenzielle Sprintetappen stehen noch an, etwa an diesem Montag – Greipels 30. Geburtstag – sowie beim Finale am abschließenden Sonntag auf den Pariser Champs-Élysées. Theoretisch ist also noch eine Bestmarke drin: Rekordhalter Didi Thurau siegte 1977 bei fünf Tour-Etappen, mit drei Erfolgen in einem Jahr zog Greipel bereits mit Rudi Altig (1963 und 1966), Erik Zabel (1997 und 2001) und Jan Ullrich (1998) gleich. (abendblatt.de/dpa)