Hamburg. DTB-Präsident Dietloff von Arnim über die Zukunft des Tennis am Rothenbaum und über die Relevanz von Turnieren für den Sport.

Am Mittwoch kommender Woche reist Dietloff von Arnim (61) zu den Olympischen Spielen nach Tokio. Das hält den im Januar gewählten Präsidenten des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) indes nicht davon ab, die gesamte Woche beim Herrenturnier am Rothenbaum Eindrücke zu sammeln – und sich Gedanken über dessen Fortentwicklung zu machen.

Hamburger Abendblatt: Herr von Arnim, 3500 Zuschauer wären pro Tag zugelassen gewesen, 2300 am Mittwoch waren bislang der Höchstwert. Sind Sie von der Resonanz des Hamburger Publikums positiv oder negativ überrascht?

Dietloff von Arnim: Natürlich wünscht sich jeder Veranstalter ein ausverkauftes Stadion. Aber bei anderen Turnieren war es nirgendwo besser als hier. Wir haben alle mit einer solchen Pandemiesituation keine Erfahrung. Was ich sagen kann: Turnierdirektorin Sandra Reichel und ihr Team machen es klasse, alles läuft sicher und verantwortungsbewusst ab. Und ich bin froh, dass überhaupt Zuschauer kommen dürfen. Andere Veranstalter haben diese Möglichkeit ausgeschlagen, weil sie Risiko und Aufwand gescheut haben.

Wie ist Ihr genereller Eindruck vom Status Quo des Turniers?

von Arnim: Unter den gegebenen Umständen ist es toll, was hier angeboten wird. Besonders das im vergangenen Jahr komplett renovierte Stadion imponiert mir jeden Tag aufs Neue. Ich kenne viele Tennisstandorte, und ich glaube ohne Übertreibung behaupten zu können, dass der Rothenbaum zu den schönsten Center-Courts der Welt gehört. Was hier mithilfe von Alexander Otto, der Stadt Hamburg, dem Club an der Alster und dem DTB investiert wurde, ist deutlich positiv herauszuheben.

Darf man das als Zeichen dafür werten, dass der Standort Hamburg langfristig als Leuchtturm geplant ist? Immerhin ist das Herrenturnier auch das Filetstück des DTB, Sie sind Lizenzinhaber, haben hier Ihren Verbandssitz.

von Arnim: Wir sind sehr zufrieden mit der Unterstützung der Stadt, das ist nicht an allen Standorten in Deutschland so. Wir als Verband haben hier alles, was wir brauchen, es gibt keinen Gedanken daran, Hamburg zu verlassen.

Das war nicht immer so, vor allem in den Jahren nach dem Verlust des Mastersstatus 2008 wirkte der DTB desinteressiert an dem Turnier, dazu kam das schwierige Verhältnis zu Michael Stich als Lizenznehmer. Seit die Familie Reichel 2019 übernommen hat, scheint eine echte Partnerschaft zu bestehen. Wie nehmen Sie das wahr?

von Arnim: Das Verhältnis zu Michael Stich möchte ich ebenso wenig bewerten wie die Intention meiner Vorgänger hinsichtlich des Turniers. Was ich sagen kann: Wir unterstützen die Familie Reichel, wo immer wir nur können, und tun alles dafür, dass es eine Partnerschaft ist, von der alle profitieren. Unser Anspruch als Verband muss sein, das Optimum aus unserer Lizenz herauszuholen. Und das geht nur gemeinsam.

Das Konstrukt am Rothenbaum, wo auch die Stadt und der Club an der Alster als Gastgeber mitsprechen, war immer kompliziert. Welche Rolle wollen Sie darin in Zukunft spielen?

von Arnim: Ich sehe uns in der Verantwortung, alle Seiten zusammenzuführen. Wir wollen das Turnier so weiterentwickeln, dass alle den größtmöglichen Nutzen davon haben. Für uns ist es wichtig, solche Turniere zu haben, weil sie auch dazu führen, dass mehr Menschen mit Tennis anfangen. Unser Sport kann steigende Mitgliederzahlen vorweisen, er funktioniert im Kleinen und im Großen, wenn sich jemand darum kümmert. Das tun wir am Rothenbaum, denn es ist unsere Aufgabe, diesen Standort zu sichern.

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Was würden Sie den Reichels raten, um das Turnier zu optimieren? Sollte es ein gemeinsames Damen- und Herrenturnier geben, was national ein Alleinstellungsmerkmal wäre, oder lieber, wie in diesem Jahr, zwei Events nacheinander?

von Arnim: Ratschläge über die Medien sind eher Schläge, deshalb spreche ich darüber mit den Reichels persönlich. Grundsätzlich rate ich allen Veranstaltern, mehr voneinander zu lernen und das, was anderswo gut läuft, zu übernehmen. Es ist wichtig, den Besuchern ein Rundum-Erlebnis zu bieten, das alle abholt. Wäre der DTB Veranstalter, würden wir vielleicht manche Dinge anders machen, aber da reden wir den Reichels nicht rein.

Sie könnten ja von 2024 an das Turnier selbst veranstalten. Wollen Sie das?

von Arnim: Dafür müsste sich der DTB komplett anders aufstellen. Im Präsidium sitzen zwar Leute, die, wie ich lange Jahre mit dem World Team Cup in Düsseldorf, Erfahrung im Veranstalten haben. Dennoch gibt es ja gute Gründe dafür, dass wir seit vielen Jahren die Lizenz halten, aber nicht selbst veranstalten.

Die Turnierlandschaft in Deutschland entwickelt sich positiv, es gibt mit Berlin, Bad Homburg und Hamburg allein in diesem Jahr drei neue Damenturniere. Welche Vision haben Sie für die kommenden Jahre? Eine Masterslizenz für das Hamburger Herrenturnier?

von Arnim: Grundsätzlich ist zu beobachten, dass Deutschland als Standort für Turniere sehr hoch im Kurs steht. ATP und WTA als auch Spielerinnen und Spieler sowie Partner geben durchweg positive Resonanz. Wir müssen diskutieren, ob wir den Unterbau, sprich die Challengerserie, stärken können. Was eine Masterslizenz angeht: Wenn sich Chancen ergeben, sollten wir zugreifen. Aber die Grundlage, die wir jetzt haben, ist super.