Die deutsche Behindertenbeauftragte und Ex-Athletin Verena Bentele sollte bei den Winterspielen in die Paralympics-Ruhmeshalle aufgenommen werden, reist aber aus politischen Gründen nicht nach Russland.

Sotschi/Hamburg. Deutschland wird keine offizielle Delegation zu den Paralympics im russischen Sotschi entsenden. Damit wolle man angesichts des aktuellen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine ein „politisches Zeichen“ setzen, erklärte die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Es habe einen entsprechenden Beschluss der Bundesregierung gegeben, sagte Bentele, die eigentlich am Donnerstag nach Sotschi reisen wollte.

„Es ist ein ganz klar politisches Zeichen an Russland, Gefahr für Leib und Leben besteht nicht“, sagte Bentele. Dies sei auch die Einschätzung des Auswärtigen Amtes. Die deutschen Sportler blieben deshalb in Sotschi „und werden auch starten, wie es aussieht“. Bentele selbst würde aber aus politischen Gründen nicht nach Russland reisen. Die blinde Biathletin gehörte von 1995 bis 2011 zur Nationalmannschaft und hat allein bei Paralympischen Spielen zwölf Mal Gold gewonnen. Am Sonnabend hätte die 32-Jährige in Sotschi eigentlich in die Paralympics-Ruhmeshalle aufgenommen werden sollen.

Angesichts der Krim-Krise wünscht sich Bentele eine bedachtere Vergabe von Olympischen und Paralympischen Spielen. „Es wäre wünschenswert, dass die Spiele zukünftig in Regionen stattfinden, wo so etwas nicht passiert. Man muss sich in Zukunft ganz genau anschauen, wohin man die Spiele vergibt“, sagte Bentele. „Für die Paralympics ist es ein Drama, dass wir während der Paralympischen Spiele diese politischen Entwicklungen haben.“

Enttäuscht sei sie darüber, dass Politiker ihres Heimatlandes als Zeichen gegen das russischen Vorgehen auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim nicht zu den Paralympics reisen würden. „Für die Sportler ist das eine Enttäuschung, weil eine politische Unterstützung aus dem Lande für sie wichtig ist“, sagte die 32-Jährige, die von Geburt an blind ist. Eine Gefahr bestehe derzeit für die Athleten nicht, weshalb das deutsche Team nach Sotschi gereist ist.

Schröder will trotzdem nach Sotschi

Vor der Bekanntgabe Benteles hatten die Grünen angesichts der Eskalation auf der Krim an die Bundesregierung appelliert, auf Besuche bei den Paralympics in Sotschi zu verzichten. Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium Ole Schröder (CDU) hatte einen Besuch der Paralympics geplant. Er sollte von einer kleinen Gruppe weiterer Ministeriumsvertreter begleitet werden. Nach Angaben eines Sprechers des Bundesinnenministeriums vom Donnerstag plant Schröder weiterhin, nach Russland zu fahren.

Die US-Regierung und die britische Regierung hatten angekündigt, dass Regierungsmitglieder die Spiele nicht besuchen werden. Der russische Schwarzmeerort Sotschi liegt nur 450 Kilometer von der ukrainischen Halbinsel Krim entfernt, die zum Schauplatz eines offenen russisch-ukrainischen Konfliktes geworden ist.

IPC-Chef kritisiert Bentele

Philip Craven, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, bedauert Benteles Absage und kritisierte gleichzeitig die Bundesregierung. „Das ist sehr enttäuschend für mich. Die Regierung versucht, diese Spiele zu überschatten“, sagte der Brite, nach dessen Angaben die Mannschaft der Ukraine noch nicht über einen Paralympics-Boykott entschieden hat.

„Wir haben dafür zur Zeit keine Anzeichen“, sagte Craven. Am Vortag hatte die Teamleitung wegen des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine mit der Abreise ihrer 23 Sportler gedroht. „Ich habe keine Angst davor. Aber wenn sie es tun würden, wäre ich erneut enttäuscht. Das ist in den Händen der Ukrainer, das ist nicht in meinen Händen“, erklärte der Brite.

Von der Anwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi geht Craven derzeit fest aus. „Wladimir Putin wird hier sein bei der Eröffnungsfeier“, sagte der IPC-Chef. Er stehe über den stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitri Kosak ständig in engem Kontakt mit der russischen Regierung. Wegen des schwelenden Konfliktes mit der Ukraine verzichten Politiker mehrerer Länder und Mitglieder aus Europas Königshäusern auf eine Reise nach Sotschi.

Die Paralympics beginnen am Freitag in Sotschi, wo im vergangenen Monat bereits die Olympischen Spiele stattgefunden haben. Russland als Ausrichterland steht wegen seines aggressiven Vorgehens auf der ukrainischen Halbinsel Krim in der internationalen Kritik. Von verschiedenen Seiten wurde bereits gefordert, die Paralympics zu boykottieren.