Der deutsche Skirennläufer und Medaillenaspirant Felix Neureuther ist auf der Fahrt zum Flughafen in eine Leitplanke gekracht. Auch Miriam Gössner saß im Auto. In München wird er untersucht. Gegen den 29-Jährigen wird wegen Fahrerflucht ermittelt. Vater verteidigt seinen Sohn.

Sotschi/München. Mögliche Hiobsbotschaft für das deutsche Olympiateam: Medaillenhoffnung Felix Neureuther droht nach einem Autounfall für die Winterspiele in Sotschi auszufallen.

Wie ein Sprecher des Deutschen Skiverbandes (DSV) am Freitag mitteilte, verunglückte der 29-jährige Skirennläufer noch in Deutschland und hat sich zu einer Untersuchung nach München begeben.

Dort hat Neureuthers Vertrauensarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt festgestellt, dass der Partenkirchener ein Schleudertrauma und eine Zerrung des Bandapparates erlitten hat. Ausgehend von dieser Untersuchung wurde entschieden, dass Neureuther am Freitag nicht mehr nach Sotschi reist. Das sagte Charly Waibel, DSV-Bundestrainer der Herren, in „Olympia live“ im Ersten. Die Ärzte gaben grünes Licht für seine Reise am Sonnabend nach Sotschi. „Es geht mir den Umständen entsprechend gut“, sagte Neureuther laut DSV. „Ich fliege morgen nach Sotschi.“

„Wichtig ist, dass ihm offenbar nichts Schlimmeres passiert ist“, sagte Alpindirektor Wolfgang Maier. Ein Ausfall Neureuthers wäre für den DSV „eine mittlere Katastrophe. Er ist das Herzstück unserer Herren-Mannschaft.“

Laut Maier ist Skifahren mit einem leichten Schleudertrauma möglich. Der frühere Trainer wies aber darauf hin, dass im Falle eines schweren Schleudertraumas mehrere Wochen Pause notwendig sein könnten. Um eine optimale Vorbereitung Neureuthers zu gewährleisten, hatte der DSV bereits dessen Physiotherapeuten Martin Aauracher einfliegen lassen.

„Sie haben ihn gerade geröntgt, jetzt machen sie noch eine Kernspintomographie“, sagte Neureuthers Vater Christian. Eine Prognose wollte Vater Neureuther nicht abgeben: „Wir müssen mal schauen. Wenn es nur ein Schleudertrauma ist, dann kann man das sicher in den Griff kriegen. Wenn was an der Wirbelsäule sein sollte, ist es bestimmt nicht so gut.“

In den Flieger von München nach Frankfurt am stieg Neureuther zunächst nicht. Neureuther war auf seiner Anreise zum Flughafen in München auf der Autobahn vermutlich ins Schleudern gekommen.

„Er ist auf schneeglatter Autobahn in der Nähe von Starnberg gegen die Leitplanke gefahren“, sagte Christian Klaue, Sprecher des Deutschen Olympischen Sportbundes zu dem Unfall. „Er konnte die Fahrt selbst fortsetzen und ist jetzt in Behandlung.“

Trainer überredeten Neureuther noch nicht zu fliegen

Auf der Autobahn A95 zwischen Garmisch-Partenkirchen und München hatte es in der Nacht geschneit. Nach Angaben der zuständigen Polizeiinspektion Weilheim saß Neureuthers Freundin Miriam Gössner mit im Auto. Neureuthers Vater Christian bestätigte dies auf Anfrage. Die Biathletin, die wegen ihrer Rückenverletztung in Sotschi nicht am Start ist, rief anschließend die Polizei in Garmisch-Partenkirchen an, um den Unfall zu melden. Die 23-Jährige gab danach Teilentwarnung. „Uns ist Gott sei Dank nichts Schlimmes passiert. Das Glatteis kam aus dem Nichts, das war nicht vorherzusehen“, sagte sie der TZ: „Zum Glück war es noch so früh und keine weiteren Autos waren unterwegs.“

„Ich habe mit ihm gesprochen, er hat mir gesagt: Es war mit einem Schlag so spiegelglatt, dass er keine Chance hatte“, berichtete Vater Neureuther. Der Abschnitt auf der A95 zwischen Schäftlarn und Starnberg gilt als anfällig für Witterungsschwankungen. In einer ersten Reaktion auf Twitter zeigte sich unterdessen Neureuthers großer Rivale Marcel Hirscher leicht geschockt: „Was machst du!? Werd schnell gesund. Ich drücke die Daumen.“

Auch Thomas Müller äußerte Genesungswünsche via Facebook: „Hab grad vom Autounfall von meinem Kumpel Felix Neureuther erfahren. Hoffentlich ist es nicht so schlimm und es klappt mit der Medaille in Sochi. Der Herminator hat's damals auch geschafft... Kopf hoch, Felix und GUTE BESSERUNG!“, schrieb der Bayern-Profi.

Neureuther fuhr nach dem Zwischenfall weiter zum Flughafen in München, von wo aus er um sieben Uhr über Frankfurt hätte nach Sotschi fliegen sollen. Nach Anraten seiner Trainer kehrte er aber nach der Aufgabe seines Gepäcks um und fuhr die rund 65 Kilometer zurück in die Münchner Innenstadt, um sich bei Müller-Wohlfahrt untersuchen zu lassen.

Neureuther droht Verfahren wegen Fahrerflucht

Dem Medaillenaspiranten droht nun auch noch ein Verfahren wegen Fahrerflucht. Wie die Polizeiinspektion Weilheim bestätigte, werde untersucht, ob Neureuthers Wagen die Leitplanke beschädigt habe. In diesem Fall hätten die Unfallverursacher bis zum Eintreffen der Polizei am Unfallort bleiben müssen. Inzwischen bestätigte die Staatsanwaltschaft München II, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Fahrerflucht eingeleitet wurde.

Inzwischen wehrte sich die deutsche Medaillenhoffnung gegen den Vorwurf der Fahrerflucht. "Ich bin in die Leitplanke gefahren, konnte aber weiterfahren. Ich habe der Polizei Bescheid gegeben", sagte er der Bild.

Dass sein Sohn auf dem Weg zum Olympia-Flieger nicht auf die Polizei habe warten können, sei verständlich, betonte Christian Neureuther. Kein anderes Fahrzeug sei beteiligt gewesen. „Es geht hier nicht um Fahrerflucht, wichtig ist doch nur, dass er gesund ist und kein anderer beteiligt war“, meinte Vater Neureuther.

Wasmeier: Neureuther kann nach Sotschi

Laut ARD-Experte Markus Wasmeier, der von einem Telefonat mit Felix Neureuthers Vater Christian berichtete, sei das deutsche Torlauf-Ass mit seinem Wagen bei Blitzeis in eine Leitplanke gefahren.

„Ein Schleudertraume, das ist es“, sagte Wasmeier im “Ersten“. Dennoch solle Neureuther noch am Freitagnachmittag nach Sotschi fliegen. „Er versucht aber, nachmittags zu starten, sich in den Flieger zu setzen.“

Ursrpünglich hätte Neureuther am Freitagmorgen um sieben Uhr Richtung Sotschi fliegen sollen. Sein erster Start ist für den 19. Februar geplant (Mittwoch, Riesenslalom). Der Slalom zum Abschluss der alpinen Wettbewerbe wird am 23. Februar (Sonnabend) ausgetragen.

Neureuther vom Pech verfolgt

Neben Maria Höfl-Riesch, die Gold in der Super-Kombination gewann, ist der WM-Zweite im Slalom die größte Medaillenhoffnung der deutschen Alpinen bei den Wettbewerben in Krasnaja Poljana. „Es sollte mit dem Start dann hoffentlich funktionieren“, meinte Neureuther in München. „Wir sind relativ optimistisch“, sagte Maier. Allerdings könne man erst am zweiten oder dritten Tag sagen, wie die Auswirkungen des Schleudertraumas seien. „Aber Felix fährt immer gute Rennen, wenn eine Vorgeschichte da ist“, betonte Maier. „Es geht ihm den Umständen enstprechend ganz gut“, so Waibel.

In der Olympia-Saison hatte Neureuther schon viel Pech. Nach einer Operation Anfang Juni am linken Sprunggelenk hatte er große Probleme mit der Wundheilung. Statt zwei Wochen dauerte der Genesungsprozess mehr als vier Monate. Das obligatorische Trainingslager in Neuseeland musste er daher absagen. Erst im September kehrte er wieder ins Schneetraining zurück. Beim Konditionstraining Anfang Oktober knickte Neureuther um und erlitt einen Bänderanriss im rechten Sprunggelenk. Diese Blessur handicapte ihn jedoch nicht weiter.

Weiter gebremst wurde der achtmalige Weltcupsieger im Dezember. Im Slalomtraining erlitt der Partenkirchener Rückenprellungen und einen knöchernen Kapselausriss am rechten Daumen. Danach fuhr er mit einer Schiene dennoch überaus erfolgreich.

Herren-Coach eigentlich zuversichtlich

Noch am Donnerstag hatte Herren-Cheftrainer Karlheinz Waibel betont, dass die deutschen Skirennfahrer um Neureuther am Freitag gut vorbereitet nach Russland reisen würden. „Die Jungs sind gut drauf und haben gut trainiert“, sagte Waibel in den Bergen von Krasnaja Poljana. „Ich denke, wir sind ganz gut vorbereitet.“

Am Vorabend postete Neureuther in einem sozialen Netzwerk noch ein Foto mit einem Hund und den Worten „Noch träum ich von Olympia! „Morgen um 7Uhr geht der Flieger nach Sotchi, good night“.

Neben Neureuther zählen noch Fritz Dopfer und Stefan Luitz zum starken deutschen Technik-Team. „Eine gewisse Anspannung ist natürlich da. Ich denke, sie sind jetzt auch heiß, endlich rüber zu kommen“, meinte Waibel.

„Wir rechnen uns in beiden Disziplinen was aus. Wir haben in dieser Saison gezeigt, dass man an uns nicht vorbei kommt“, sagte der Coach mit Blick auf Riesenslalom und Slalom.

Ted Ligety adelt Neureuther

Auch Alpin-Weltmeister Ted Ligety traut seinem KumpelNeureuther bei Olympia Großes zu. „Felix ist definitiv einer der Siegfavoriten im Slalom, das ist sicher, und er hat auch eine sehr gute Chance im Riesenslalom eine Medaille zu gewinnen“, sagte der dreimalige Titelträger der WM 2013 am Donnerstag.

Der Amerikaner ist vor den Technikrennen auch einer der Favoriten in der Super-Kombination. „Wir haben eine sehr gute Freundschaft, es ist toll, solche Freunde auf der Tour zu haben“, sagte Ligety über Neureuther.