Die Konkurrenz ist beeindruckt. Zu überlegen wirkt der Deutschland-Achter mit dem Bergedorfer Ruderer Eric Johannesen. Finale am Mittwoch.

Eton. Als Eric Johannesen am Sonnabendmittag die Anlage des Eton College Rowing Centre verließ, konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen. Ein flüchtiges Winken, eine entschuldigende Geste in Richtung der wartenden Journalisten, schon war der Ruderer des RC Bergedorf aus dem Blickfeld verschwunden. Auch seine Kollegen aus dem Deutschland-Achter bevorzugten, nichts zu sagen. Nur Martin Sauer, der Steuermann, rief den Journalisten im Vorbeigehen einen Satz hin: Der Bus ins Athletendorf fahre in zwei Minuten ab, man möge bitte Verständnis haben.

Man hatte Verständnis. Im Grunde hatte der Vorlauf des Deutschland-Achters ja bereits alle Fragen beantwortet. Ist das Paradeboot wirklich so stark, wie man es nach 34 Siegen hintereinander vermuten durfte? Ja! War es richtig, angesichts einiger erkälteter Crewmitglieder auf den letzten Weltcup im Juni in München zu verzichten? Ja! Und gibt es überhaupt einen Gegner, der im Finale am Mittwoch um 13.30 Uhr den sechsten deutschen Olympiasieg im Achter noch verhindern könnte? Eher nicht.

+++ Welche Aufgaben die neun Mann im Achter haben +++

+++ Der deutsche Ruder-Achter nimmt Kurs auf Gold +++

Wenn, dann hätte man es wohl merken müssen, denn die ernst zu nehmenden Herausforderer hatten alle schon in besagtem Vorlauf Aufstellung genommen. Es war das letzte Mal, dass sie mit dem Weltmeisterboot auf gleicher Höhe waren. Nach 500 Metern hatte sich der deutsche Achter bereits um eine halbe Länge von der Konkurrenz abgesetzt und ließ sie auch auf den folgenden 1500 Metern kein Stück näher an sich heran. Zwar erhöhten die Briten als hartnäckigste Verfolger im Schlussspurt noch einmal die Schlagfrequenz. "Aber ihre Züge sind dabei merklich kürzer geworden", sagte Bundestrainer Ralf Holtmeyer später mit einem Lächeln. Auf den Angriff der Gastgeber war seine Crew vorbereitet. Kaum eine olympische Medaille sehnt das Mutterland des Ruderns so sehr herbei wie die goldene im Achter. Bereits zum Vorlauf fanden sich 25 000 Zuschauer an der Regattastrecke im grünen Westen Londons ein. Die olympische Flotte gilt als die beste, die die Briten je an den Start gebracht haben. Dank eines Sechsjahresvertrags über umgerechnet vier Millionen Euro mit dem Elektronikkonzern Siemens legte der Verband 2006 ein großzügiges Förderprogramm für seine Athleten auf. Der Einsatz beginnt sich auszuzahlen.

Doch ausgerechnet die Stärksten schwächeln vor dem Höhepunkt. Eine Verletzung von Schlagmann Dan Ritchie warf die Planungen ihres deutschen Chefcoachs Jürgen Grobler für den Achter bereits zu Saisonbeginn über den Haufen. Ritchies Nachfolger Constantine Louloudis, 20, gilt zwar als hoch veranlagt, bestritt aufgrund einer Rückenverletzung aber in dieser Saison bis zum Sonnabend kein Rennen.

Die übrige Konkurrenz scheint derzeit keine zu sein für den Deutschland-Achter. Die Niederländer hatten als Dritte mehr als drei Sekunden Rückstand. Auch ihre Wettkampfvorbereitung verlief nicht störungsfrei: Sie waren erst vorvergangene Woche in ein neues Boot deutschen Fabrikats umgestiegen. Titelverteidiger Kanada, das noch Ende Mai beim Weltcup in Luzern mit einer Weltrekordzeit aufbegehrte (5:19,35 Minuten), fügte sich am Sonnabend bereits nach der halben Distanz in den heutigen Hoffnungslauf.

Er bleibt außer den Deutschen nur den USA erspart. Ihre Siegerzeit im ersten Vorlauf (5:30,72) lag mehr als fünf Sekunden über der deutschen im zweiten (5:25,52). Allerdings hatten Australien, Polen und die Ukraine dem Olympiasieger von 2004 auch keine bessere abverlangt. US-Trainer Mike Teti gab sich trotzdem schon mit der Silbermedaille zufrieden: "Die Deutschen sind auf einem anderen Niveau als alle anderen, sie sind unschlagbar."

Holtmeyer verzieht bei Sätzen wie diesen immer ein bisschen das Gesicht. Favorit sei man nach drei WM-Titeln hintereinander schon vorher gewesen. Und jetzt? "Sind wir wahrscheinlich Supersuperfavorit." Ihm war es ganz recht, dass sich seine Athleten erst gar nicht den verbalen Schulterklopfern aussetzten. Den Maulkorb gegenüber der Presse hätten sie sich allerdings selbst verhängt - weil sie mit ihrem Rennen nicht richtig zufrieden gewesen seien. Holtmeyer konnte das nur bedingt nachvollziehen. Dank des geringen Windes und des glatten Wassers habe man die technischen Fähigkeiten ausschöpfen können: "Es war nahe am Optimum." Und zugleich noch weit genug von der Leistungsgrenze entfernt. Sie soll erst am Mittwoch erreicht werden. "Wir haben viel erreicht", sagte der Bundestrainer, "jetzt wollen wir die Krone." Für Holtmeyer wäre es die zweite: Er hatte den Deutschland-Achter 1988 in Seoul zum bislang letzten Triumph geführt.

Auch Bastian Seibt (Der Hamburger und Germania RC) und Lars Wichert (RC Allemannia), die beiden anderen Hamburger Olympiaruderer, haben ihr erstes Ziel erreicht. Im Leichtgewichtsvierer ohne Steuermann zogen sie gemeinsam mit den Saarbrücker Brüdern Jochen und Martin Kühner als Dritte ihres Vorlaufs ins morgige Halbfinale (13.40 Uhr) ein.