Die Aufgabe ist allerdings denkbar schwer: Im Vorlauf am heutigen Sonnabend warten mit Großbritannien, Kanada und den Niederlanden harte Gegner.

Eton. Die Miene von Ralf Holtmeyer verfinsterte sich mit jeder Frage. Nach der Auslosung des Vorlaufs, die dem Deutschland-Achter die schwerste denkbare Aufgabe bescherte, war dem Ruder-Bundestrainer nicht nach Diplomatie zumute. Mit deutlichen Worten ließ der Erfolgscoach am Freitag vor zahlreichen Kameras und Medienvertretern Dampf ab. Aus seiner Verärgerung über den Weltverband FISA machte er dabei keinen Hehl: "Das ist ein Witz nach dem anderen. Man sollte die Vorläufe so setzen, dass es sinnvoll ist."

Zum Leidwesen von Holtmeyer trifft die seit 34 Rennen ungeschlagene Crew, zu der mit Eric Johannesen vom RC Bergedorf auch ein Hamburger zählt, am heutigen Sonnabend (11.20 Uhr) auf den WM-Zweiten Großbritannien, Olympiasieger Kanada und die Niederlande. "Es kann nicht sein, dass die ersten drei der letzten WM in einem Vorlauf antreten. Da kann man nicht von setzen sprechen", klagte er. Im ersten Vorlauf treffen Australien, die USA, die Ukraine und Polen aufeinander.

Vier Teams waren gesetzt, die anderen vier zugelost worden. Nur der Sieger des Vorlaufs zieht direkt in das Finale am Mittwoch ein. Die restlichen Crews müssen in den Hoffnungslauf am Montag. Holtmeyer wollte seine Kritik jedoch nicht als Ausrede für eine mögliche Niederlage zum Start in die Regatta auf dem Dorney Lake gewertet wissen: "Wir jammern nicht rum. Wir wollen hier Gold gewinnen, also muss man auch im Vorlauf siegen."

Die lebhafte Diskussion um die Vorlauf-Auslosung war Ausdruck wachsender Nervosität. Nicht nur die Achter-Crew gerät zunehmend ins Grübeln. Die höhere Medienpräsenz und größere Erwartungshaltung macht allen Beteiligten klar, dass Olympische Spiele nicht mit Weltmeisterschaften vergleichbar sind. Hämische Kommentare wie nach der Havarie von Peking, wo die Deutschen erstmals seit 52 Jahren ohne Gold geblieben waren, möchte sich die DRV-Flotte diesmal ersparen. Cheftrainer Hartmut Buschbacher hofft auf einen deutlichen Aufwärtstrend: "Die Hausaufgaben wurden gemacht."

Zwei Siege und ebenso viele zweite Plätze bei der WM vor einem Jahr in Slowenien lassen auf eine bessere Bilanz als in China hoffen. So nimmt die Achter-Crew um Schlagmann Kristof Wilke nach drei WM-Titeln in Serie den ersten Olympiasieg des DRV-Paradebootes seit 1988 ins Visier.

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Nach der "Schmach von Peking" übernahm der einst davongejagte Holtmeyer wieder das Kommando für den Deutschland-Achter, die Rückkehr in die Erfolgsspur soll nun in der "Höhle des Löwen" mit dem ersten Olympiagold seit 24 Jahren gekrönt werden. Beim letzten Olympiasieg 1988 in Seoul hieß der Bundestrainer - Holtmeyer.

Ein Triumph im Mutterland des Rudersportes wäre nun auch für den 56-Jährigen eine persönliche Genugtuung. Nach der verpassten Qualifikation für Sydney 2000 wurde er genauso gnadenlos abgesetzt, wie er selbst mit Verweis auf das Leistungsprinzip bei der Besetzung "seines" Bootes verfährt. "Es wird Zeit, dass es endlich losgeht", sagt Holtmeyer. Für seine Geduld ist er nicht berühmt, hinderliche Schlechtwetter-Phasen in der Vorbereitung haben ihn genervt - die kann er schließlich nicht beeinflussen. Bei den letzten Trainingskilometern auf dem Dorney Lake nahe Eton strahlte aber die Sonne.

Mitleid darf kein Athlet von Holtmeyer erwarten, Effizienz ist das Stichwort. Würde man ihn mit einem Fußballtrainer vergleichen, käme man wohl auf Felix Magath. "Freundschaft geht bisweilen zulasten des Leistungsdenkens", sagt Holtmeyer und macht klar, worauf er beim Rudern Wert legt: Nicht das Miteinander ist ihm wichtig, denn das macht faul. Nur im ständigen Wettbewerb miteinander sind die Athleten motiviert genug.

Dafür greift der Diplom-Sportlehrer bisweilen zu drastischen Methoden, wie beispielsweise Gregor Hauffe in diesem Frühjahr schmerzlich feststellen musste. Obwohl mit ihm kein einziges Rennen verloren ging, ersetzte Holtmeyer ihn durch Filip Adamski. Die unmissverständliche Botschaft lautete: Niemand kann sich in Sicherheit wiegen. Wie Magath hat auch Holtmeyer keine Skrupel, seinen Kader rigoros umzukrempeln. Im Hintergrund warten die Ersatzmänner aus dem Vierer immer auf ihre Chance im prestigeträchtigen Großboot.

1988 in Seoul feierte Holtmeyer mit dem Achter den Olympiasieg, bis 1995 gelangen zudem fünf WM-Titel. 1992 in Barcelona gab es Olympiabronze, 1996 in Atlanta mit Silber die letzte Olympiamedaille. Aber mit dem Erfolg stiegen auch die Erwartungen: Nach dem Aus vor den Olympischen Spielen 2000 bereits in der Qualifikation musste auch der Ausnahmetrainer seinen Hut nehmen. Er wurde abkommandiert zum Frauen-Team.

Der Osnabrücker nahm den Kampf auf, und obwohl er nach eigener Aussage mit den Frauen nicht ganz so hart umging, schaffte er das Unerwartete. 2003 holte er mit dem Frauen-Achter den WM-Titel, sein Kommentar in Richtung der Funktionäre des Deutschen Ruderverbands war knapp: "Totgesagte leben länger."

Nach dem letzten Platz im B-Finale von Peking unter Leitung von Dieter Grahn kam die Stunde der Rückkehr. Holtmeyer durfte wieder aussortieren und den Leistungsgedanken fördern - er tat das mit Bravour. Kein einziges Rennen hat er seitdem verloren, und das soll auch bei den Spielen in London so bleiben.