Der deutsche Handballmeister HSV trennt sich von seinem Trainer Per Carlén. Ein Nachfolger wurde noch nicht benannt.

Hamburg. Als Andreas Rudolph im Sommer vergangenen Jahres das Präsidium des Handball-Sport-Vereins Hamburg in seine Pläne einweihte, wagte er sich bis in die höchsten Tonarten vor. Der künftige Trainer sei das "Nonplusultra" seines Fachs, ein Mann, der wie kein Zweiter zu motivieren verstehe und ein rundum überzeugendes Konzept vorgelegt habe, schwärmte der damalige Präsident. Gestern, keine sechs Monate nachdem Per Carléns Dreijahresvertrag in Kraft getreten ist, hatte der inzwischen zum deutschen Meister aufgestiegene HSV zum Abschied nur noch sieben nüchterne Zeilen für seinen einstigen Wunschtrainer übrig. Der Schwede, so hieß es in der am Abend verbreiteten Pressemitteilung, werde "zum Jahresende von seinen Aufgaben entbunden". Die spielfreie Zeit bis 8. Februar werde man "nutzen, um eine Lösung der Situation zu finden", wird Präsident und Geschäftsführer Martin Schwalb zitiert.

Über die Gründe wollte sich Carléns Vorgänger auch auf Nachfrage nicht äußern. Schwalb sagte nur: "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht." Die Trainerdiskussion, von ihm und Rudolph vereinsintern angestoßen, hatte in den vergangenen Tagen an Brisanz gewonnen. Zweifel an Carlén waren bereits zu Saisonbeginn aufgekommen, als die ersten Auswärtsspiele in Berlin und Mannheim verloren gingen. "Wir haben den falschen Trainer geholt", gestand Klubmäzen Rudolph gegenüber Vertrauten am Abend des Sieges gegen Flensburg im Oktober. Man sei es den Sponsoren schuldig, um Titel mitzuspielen.

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Mit der Niederlage in Lübbecke Anfang des Monats war Carléns Kredit aufgezehrt. Als dann auch das Pokalspiel bei den Rhein-Neckar Löwen verloren zu gehen drohte, griff das Führungsduo erstmals in Carléns Hoheitsbereich ein: Gemeinsam gingen Schwalb und Rudolph zur Halbzeit in die Kabine und redeten auf die Mannschaft ein. In der Schlussphase rief Schwalb sogar Spielzüge aufs Feld.

Spätestens an diesem 14. Dezember war Carlén nur noch ein Trainer auf Abruf. Ob er je eine echte Chance hatte, sich in Hamburg zu beweisen, ist zweifelhaft. Carlén, 51, war mit der Maßgabe verpflichtet worden, die Mannschaft zu verjüngen und Nachwuchsspieler zu integrieren. Doch noch ehe er sein Amt antrat, hatte Rudolph fast alle auslaufenden Verträge langfristig verlängert. "Wir haben eine alte Mannschaft", stellte der neue Coach kürzlich ernüchtert fest. Als dann die Saison begann, stand plötzlich kein Linkshänder mehr für den Rückraum zur Verfügung, weil sich nach Carléns Sohn Oscar auch noch Marcin Lijewski verletzte. Nur zögerlich reagierten Schwalb und Rudolph auf Carléns Hilferufe und verpflichteten Renato Vugrinec als Ersatz, doch da war die Titelverteidigung schon fast verspielt. Nun ist sogar die Champions-League-Qualifikation in Gefahr.

Aber es gab auch konkrete Kritik an Carléns Arbeit. Spieler beklagten wiederholt, dass die Anweisungen des neuen Trainers missverständlich seien. Tatsächlich erfand der Schwede, der inklusive seiner Amtszeit bei der SG Flensburg-Handewitt knapp drei Jahre in Deutschland verbracht hat, bisweilen skurrile Wortgebilde.

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Auch dass seine Methoden für eine gestandene Profimannschaft unangemessen seien, war zu hören. So soll Carlén zu seinen Flensburger Zeiten der Mannschaft zur Motivation Bilder von der Geburt seines Sohnes vorgeführt haben. Die Botschaft: Ihr seid alle Gewinner. Überhaupt erzählte man sich in Flensburg gern, dass Carléns Stärken vornehmlich im Bereich der Motivation lägen. Um die taktischen Belange habe sich sein damaliger Assistent Ljubomir Vranjes gekümmert, der inzwischen zum Cheftrainer aufgestiegen ist.

Carlén, einst ein Weltklassekreisläufer und später in seiner schwedischen Heimat an einer Handballschule tätig, war 2008 selbst als Co-Trainer nach Flensburg gekommen. Tatsächlich aber war der Traditionsverein damals offenbar vor allem am wurfstarken Sohn interessiert. Dass auch der HSV beide verpflichtete, wurde vom Verein stets als glücklicher Zufall dargestellt.

Gespräche über die Nachbesetzung sollen im Januar aufgenommen werden. Naheliegend wäre, dass sich Schwalb, 48, zumindest bis Saisonende wieder auf die Bank setzt. Allerdings war auch sein Abschied vom Traineramt im Sommer nicht freiwillig erfolgt. Schwalbs Freund Michael Roth (MT Melsungen) wird beim HSV ebenfalls ins Gespräch gebracht.

Gehandelt wird auch der frühere Nationalmannschaftskapitän Markus Baur, 40. Er hatte erst am Mittwoch seinen Abschied aus Lübbecke zu Saisonende bekannt gegeben. Allerdings soll Baur die Trennung von seiner Familie, die in Süddeutschland lebt, zu dem Schritt bewogen haben.

Mit Zvonimir Serdarusic, dem früheren Kieler Meistertrainer, wurden in der Vergangenheit bereits konkrete Gespräche geführt. Voraussetzung wäre allerdings, dass Serdarusic im Kieler Bestechungsprozess am 26. Januar freigesprochen wird. Das erste Training des HSV soll bereits zehn Tage früher stattfinden.