Blazenko Lackovic , Domagoj Duvnjak und Igor Vori sprechen vor dem Nordduell gegen die SG Flensburg-Handewitt über Hürden des Erfolgs

Hamburg. Für die hübsche Aussicht aus dem HSV-Restaurant "Raute" ins Innere der Imtech-Arena haben Blazenko Lackovic, Igor Vori und Domagoj Duvnjak keine Augen. Die drei kroatischen HSV-Handballer beugen sich über die Zeitung. Dort steht, dass der Schwede Per Carlén 2011 ihr Trainer werden soll. "Stimmt das?", will Lackovic wissen. Es stimmt wohl. Eine offizielle Bestätigung kommt womöglich schon am heutigen Sonnabend, wenn Carlén mit der SG Flensburg-Handewitt in der O2 World Hamburg gastiert (20.15 Uhr/Sport1). Mit dem Nordderby beginnt nach der Länderspielpause eine Serie von Spitzenspielen für den HSV.

Abendblatt:

Sie sehen erholt aus, meine Herren. Dabei hieß es früher immer: Wenn die kroatischen Handballer von der Nationalmannschaft zurückkehren, sind sie kaputt. Ein Vorurteil?

Blazenko Lackovic:

Wenn wir von einem Wettbewerb kamen, war das sicher oft so. Wir hatten bei Welt-, Europameisterschaften und Olympischen Spielen in den vergangenen Jahren eigentlich immer das Glück, bis zum letzten Tag verweilen zu dürfen, weil wir es ins Halbfinale oder Finale geschafft haben - verbunden mit der entsprechend hohen Zahl an Spielen. Aber von dieser Belastung sind nicht nur wir betroffen.

Ihre Kraft wird dringend gebraucht. Der HSV steht vor großen Aufgaben: Flensburg, Kiel und die Rhein-Neckar Löwen kommen nach Hamburg. Entscheidet sich im November die Meisterschaft?

Lackovic:

Nein. Die Spiele sind sehr wichtig, ohne Frage. Und wenn wir keine gute Leistung zeigen sollten, wird es schwierig. Wobei ich nach unseren bisherigen Auftritten überzeugt bin, dass wir diese Spiele gewinnen werden. Aber auch dann ist der letzte Spieltag noch weit weg. Dafür ist der enge Verlauf der vergangenen Saison uns allen noch zu gut im Gedächtnis. Sollten wir allerdings eines dieser drei Heimspiele verlieren, dann schleppen wir schon eine gewisse Hypothek mit ins nächste Jahr.

Domagoj Duvnjak:

Die Saison ist noch unheimlich lang. Und es reden alle über die Spitzenspiele. Aber die Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt, da entscheiden nicht nur die direkten Duelle mit den Meisterschaftskonkurrenten.

Glauben Sie, dass es wieder auf einen Zweikampf Hamburg/Kiel hinausläuft?

Duvnjak:

Es gibt vier, fünf Topmannschaften in der Bundesliga. Die Rhein-Neckar Löwen spielen voraussichtlich eine bessere Rolle als in der vergangenen Saison, die Füchse Berlin haben einen tollen Start hingelegt. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass sie in die Meisterschaftsentscheidung eingreifen können.

In der vergangenen Saison hat der HSV durch die Heimniederlage gegen den THW Kiel den Titel auf der Zielgeraden verloren. Auf uns wirkte die Mannschaft seltsam gehemmt, einzig Domagoj Duvnjak hat überzeugt - vielleicht weil ihn als Neuling die Bedeutung des Spiels weniger belastete?

Lackovic:

Der Druck in diesem Spiel war groß, das gebe ich zu. Damit muss man als Profisportler zwar umgehen können. Aber die Kieler konnten lockerer in die Partie gehen. Für sie war es ein Auswärtsspiel, und sie hatten 24 Meisterschaften im Rücken. Oder wie viele?

Es waren 15.

Lackovic:

Die haben sie auch nicht über Nacht gewonnen. Die Kieler sind nicht nur die besten in Deutschland, sie haben auch die Champions League gewonnen. Das gibt ihnen dieses besondere Selbstbewusstsein. Was wir brauchen, sind Zeit und Kontinuität. Beides haben wir.

Igor Vori:

Es ist besonders schwer, dieses Eis der ersten Meisterschaft zu brechen. Danach wird alles viel einfacher. Ich bin überzeugt, dass dann noch viele Titel folgen werden.

Ist der HSV den entscheidenden Schritt weitergekommen, um das Eis zu brechen?

Lackovic:

Wir haben uns verbessert, das glaube ich schon. Wir haben mehr Erfahrung, die Mannschaft wird von Jahr zu Jahr stärker. Ich hoffe nur, dass wir in die richtige Spur finden. Strukturell und organisatorisch gehören wir ohnehin zu den besten Vereinen der Welt. Medizinische Betreuung, Nachwuchskonzept, Trainingsbedingungen, Geschäftsstelle, Physiotherapie, das alles ist optimal.

Könnte es sein, dass beim HSV zu viel Wert auf Harmonie gelegt wird? Egal wie enttäuschend die Saison verläuft, am Ende fährt die Mannschaft stets nach Mallorca. Würden ein paar Spannungen nicht helfen, um die letzten zwei, drei Prozent herauszukitzeln?

Lackovic:

Harmonie hat jeder Verein, der Erfolg hat, anders geht es gar nicht. Das ist in unserer Nationalmannschaft nichts anderes. Wenn der Erfolg da ist, kommt die Harmonie von allein. Wenn der Erfolg nicht da ist, ist sie nur umso wichtiger. Um bei Ihrem Beispiel Mallorca zu bleiben: Diese gemeinsame Erfahrung hat uns alle noch näher zusammengebracht. So etwas ist notwendig, um eine Enttäuschung wie in der vergangenen Saison zu verarbeiten und es im nächsten Jahr besser zu machen.

Mit der Nationalmannschaft haben Sie schon fast alles gewonnen. Bedeuten Ihnen diese Erfolge mehr?

Vori:

Das ist eine tückische Frage. Kroatien ist mein Land, mag sein, dass es deshalb emotional noch etwas anderes ist. Aber grundsätzlich sind wir Profis und wollen Titel gewinnen, egal ob mit dem Nationalteam oder im Verein.

Wie populär sind Sie in Kroatien?

Lackovic:

Das ist eine Frage für Dule.

Duvnjak:

Fußball ist natürlich wie fast überall die Nummer eins. Unser Rückstand ist aber, wohl dank unserer Erfolge, vielleicht nicht ganz so groß wie woanders.

Vori:

Unser Image ist auch ein anderes. Die Fußballer gelten als ein wenig unnahbar und abgehoben. Uns nimmt man eher als Arbeiter wahr, als im Grunde ganz normale, nette Leute. Deshalb werden wir auf der Straße gern angesprochen.

Lackovic:

Ist es eigentlich schwierig, Interviews mit Fußballern zu bekommen?

Beim HSV gab es früher einmal eine Mixed-Zone am Trainingsplatz. Heutzutage muss man vorher einen Spieler anfragen.

Vori:

Als ich 2005 beim FC Barcelona als Neuzugang vorgestellt wurde, waren schätzungsweise 100 Journalisten da. Nachdem ich das Trikot für die Fotografen hochgehalten habe, wurden die Fragen gestellt: Wie geht es Ronaldinho? Was macht Eto'o? Das ist Fußball.

Trotz Ihrer Popularität gibt es in Kroatien keine konkurrenzfähige Liga, fast alle guten Spieler sind im Ausland tätig.

Vori:

Ein Grund ist, dass die Finanzkrise voll auf den Sport durchgeschlagen hat, es fehlt an potenten Sponsoren. Aber ich bin überzeugt, dass das Niveau wieder steigen wird. Unsere U-18-Junioren sind gerade Europameister geworden. Da kommt einiges nach.

Mitte Januar beginnt in Schweden die Weltmeisterschaft. Zuletzt ist Kroatien immer an Frankreich gescheitert. Hat HSV-Kapitän Guillaume Gille recht, wenn er sagt, dass Torwart Thierry Omeyer 50 Prozent des Erfolgs ausmacht?

Vori:

Ich fürchte ja. Bei der EM in Österreich Anfang des Jahres hatten wir im Finale eine gute erste Halbzeit. Dann fehlte uns einfach die Wurfkraft aus dem linken Rückraum, weil Blazenko und Tonci Valcic verletzt waren. Aber in den Turnieren davor hieß unser Problem in der Tat Omeyer. Im Olympia-Halbfinale in Peking hat er 20 Bälle gehalten. Und im Finale unserer Heim-WM vergangenes Jahr hat er hintereinander drei freie Gegenstöße pariert.

Lackovic:

Omeyer hat in vielen wichtigen Spielen gegen uns die Schlüsselrolle gespielt. Trotzdem sollte man Frankreich nicht auf ihn reduzieren. Es gibt da noch ein paar andere hervorragende Spieler.

Sie alle gehörten schon mit Anfang 20 oder früher zur Weltklasse. In Deutschland sind solche Karrieren fast undenkbar. Haben Sie eine Erklärung?

Vori:

Die kroatische Handballschule ist in gewisser Hinsicht härter. Als junger Spieler spielt man gleichzeitig in der ersten Mannschaft des Vereins, in der zweiten und bei den Junioren. Dadurch wächst man früher in größere Aufgaben hinein.

Herr Duvnjak, es gab zuletzt Gerüchte, Ciudad Real wolle Sie aus Ihrem Vertrag herauskaufen. Sind Sie unzufrieden mit Ihrer Situation, dass Sie sich die Position mit Michael Kraus und Guillaume Gille teilen müssen?

Duvnjak:

Überhaupt nicht. Die Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt und der HSV eine Mannschaft mit großen Spielern. Wir wollen alle spielen und haben alle das Ziel, zu gewinnen. Da fühle ich mich nicht zurückgesetzt, wenn ich mal 30 Minuten auf der Bank sitze. Von dem Gerücht mit Ciudad Real höre ich zum ersten Mal. Mir gefällt es in Hamburg, und ich möchte noch sehr lange beim HSV bleiben.