Nach der verpassten Meisterschaft gilt es für die HSV-Handballer, den Umbruch in der Mannschaft einzuleiten.

Hamburg. Thorsten Storm kleidete seine Euphorie in besonnene Worte: "Krzysztof Lijewski ist einer der besten Linkshänder der Welt. Seine Entscheidung bedeutet für die Entwicklung der Rhein-Neckar Löwen sehr viel." Tief in seinem Inneren aber muss der Manager des Handball-Bundesligisten gejubelt haben: Mit der Verpflichtung des Polen bis 2015, die gestern offiziell wurde, haben die Mannheimer erstmals einem großen Konkurrenten einen Leistungsträger abspenstig gemacht.

Bis 2011 steht Lijewski, 26, noch beim HSV Hamburg unter Vertrag. Sein Weggang könnte eine Welle nach sich ziehen. Auch Matthias Flohr, Hans Lindberg, Stefan Schröder, Blazenko Lackovic, Torhüter Johannes Bitter, die Brüder Bertrand und Guillaume Gille sind nur noch ein Jahr an den deutschen Pokalsieger gebunden. Lijewskis Bruder Marcin, 32, besitzt zwar eine Option bis 2012, doch gilt seine Rückkehr nach Polen nach der kommenden Saison als wahrscheinlich.

Der 30. Juni 2011 ist beim HSV seit Langem als Zäsur in den Terminkalendern angestrichen. Der Vertrag von Trainer Martin Schwalb ist entsprechend terminiert. Auch Präsident Andreas Rudolph hat seinen Verbleib - und damit sein finanzielles Engagement - nur so lange zugesichert. Bis dahin wollte er die deutsche Meisterschaft oder die Champions League gewonnen haben, nach Möglichkeit beides. Rudolphs Agenda 2011 ist ins Wanken geraten. In beiden Wettbewerben ist der HSV in der abgelaufenen Serie erneut mehr (Meisterschaft) oder weniger knapp (Champions League) gescheitert.

Das erhöht den Erfolgsdruck auf die Mannschaft - und den (Ver-)Handlungsdruck auf die Führungsebene. Für sie gilt es, den sich abzeichnenden Umbruch zu vollziehen, ohne dass das gewachsene Gefüge im Kern auseinanderbricht. "Wir haben mit allen Spielern Vorgespräche geführt", sagt der sportliche Leiter Christian Fitzek, "aber wir können nicht mit allen gleichzeitig verhandeln." Einzig mit Kapitän Pascal Hens wurde bereits bis 2015 verlängert. Kreisläufer Igor Vori soll bis 2014 gehalten werden, doch sein aktueller Vertrag ist ohnehin noch zwei Jahre gültig.

Bis am 18. Juli die Vorbereitung auf die neue Saison beginnt, sollen weitere Personalien geklärt sein. Fitzek geht davon aus, "dass unsere Mannschaft weitgehend intakt bleibt". Doch liege dies nicht allein in der Macht des Vereins. Guillaume Gille etwa habe auch mit seinen fast 34 Jahren bewiesen, dass er noch zu herausragenden Leistungen imstande sei. Doch bislang hat der Spielmacher offen gelassen, ob er nach dann neun Jahren in Hamburg sich auch eine Rückkehr in seine französische Heimat vorstellen kann. In diesem Fall wäre auch der Verbleib seines Bruders Bertrand, 32, fraglich.

In jedem Fall dürfte es den HSV teuer zu stehen kommen, die Mannschaft zusammenzuhalten. Schon Hens' Bezüge mussten deutlich aufgestockt werden. Einen Gehaltssprung darf sich auch Rechtsaußen Lindberg erhoffen. Bislang eher ein Geringverdiener des Spitzenklubs, hat der Däne seinen Marktwert durch den Gewinn der Torjägertrophäe der Bundesliga erheblich gesteigert - und womöglich auch durch Spekulationen um ein Interesse des FC Barcelona, das die Spanier allerdings glaubhaft dementieren. Flohrs Verhandlungsposition ist ähnlich günstig. Der Linksaußen ist kürzlich zum Nationalspieler befördert worden.

Das allgemeine Gehaltsniveau immerhin dürfte nach der verpassten Meisterschaft stabil bleiben. Offenbar ist Rudolph nicht länger bereit, sich bei den Kosten seines Spitzenpersonals von der Konkurrenz treiben zu lassen, wie Lijewskis Beispiel lehrt. Nachdem seine Verhandlungen mit den Hamburgern ins Stocken geraten waren, köderten die Löwen den Halbrechten mit einem fast doppelt so hohen Angebot und schlugen dabei sogar Mitbewerber Kiel aus dem Rennen.

BESTER VIZEMEISTER ALLER ZEITEN

Auch bei Michael Kraus will der HSV standhaft bleiben. Der TBV Lemgo beharrt auf einer Ablöse für den Spielmacher der Nationalmannschaft und verweist auf den bis 2012 gültigen Vertrag. Die Hamburger spielen auf Zeit im Wissen, dass Lemgo nicht mehr mit ihm plant. Nicht auszuschließen ist, dass am Ende Kraus den Verhandlungsknoten durchschlägt, indem er auf Gehalt verzichtet oder sich am Transfer beteiligt.

Das hätte möglicherweise auch Auswirkungen auf Lijewski. Seinen Platz im rechten Rückraum könnte theoretisch auch ein Rechtshänder übernehmen. Dann wäre der Weg zu einem sofortigen Wechsel Lijewskis nach Mannheim frei.

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