Füchse Berlin verderben Schwalbs Comeback: HSV-Handballer unterliegen im Achtelfinalhinspiel der Champions League in Berlin 30:32.

Berlin. Nur einmal wollte sich die Leistung einfach nicht einstellen, wie es sich Martin Schwalb vorgestellt hatte. Der Trainer des HSV Hamburg suchte nach der englischen Übersetzung für ebenjenes Schlüsselwort, weil die Pressekonferenz aus der Berliner Max-Schmeling-Halle live in die Handballwelt übertragen wurde. Und als es ihm nach drei vergeblichen Anläufen noch immer nicht einfiel, gab Schwalb auf: "Keine Ahnung." Wichtig war ja doch nur gewesen, dass die Performance, wie es auf Englisch heißt, in den 60 Minuten des Achtelfinalhinspiels der Champions League bei den Füchsen Berlin im Großen und Ganzen gestimmt hatte. Und dass Schwalb nicht sehr lange gebraucht hatte, um in seinem ersten Spiel nach mehr als neun Monaten seine Trainersprache wiederzufinden: mal mit weit aufgerissenen Augen taktische Hinweise fuchteln, mal wütend Richtung Schiedsrichter schimpfen, dann wieder mit beschwichtigenden Gesten die Wogen glätten. "Wir haben seine Anweisungen aufgesaugt wie ein Schwamm", bekannte Torsten Jansen hinterher.

Selten zuvor hat man den deutschen Meister nach einer Niederlage derart erleichtert erlebt. Das 30:32 (15:15) lässt ja nicht nur alle Möglichkeiten für das Rückspiel am kommenden Sonntag offen (17.15 Uhr, O2 World/ Eurosport). Es fühlte sich sogar an wie ein Sieg. Bei einer 30:29-Führung zwei Minuten vor Schluss schien er sogar konkret zu werden, ehe sich die Hamburger Abwehr in den Schlusssekunden einmal von Markus Richwien und zweimal von Bartlomiej Jaszka überrumpeln ließ. Gratulieren aber mochte Schwalb hinterher nicht dem Gegner - schließlich sei erst Halbzeit -, sondern nur der eigenen Mannschaft: "Sie hat heute ihr wahres Gesicht gezeigt."

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+++ Füchse Berlin verderben Schwalbs HSV-Comeback +++

Bleibt man in diesem Bild, dann war es kein schönes, eher ein kämpferisches Gesicht. Man konnte Hamburger Spieler sehen, die sich auf herrenlose Bälle stürzten wie Raubtiere; die ihre Gegenspieler in der Abwehr nach allen Regeln der Handballkunst traktierten; und die vor allem Schwalbs Motto beherzigten, das er für dieses Spiel ausgegeben hatte: sich gemeinsam zu bewegen, einer für den anderen. Bis auf die Tatsache, dass sie am Ende wieder 30 Tore geworfen hatten, erinnerte nichts an jene verzagte Mannschaft, die acht Tage zuvor in Flensburg mit 30:36 untergegangen war.

Die Wandlung ist umso wundersamer, als sich gestern Morgen nach den verletzten Bertrand Gille, Renato Vugrinec und Pascal Hens auch noch Rechtsaußen Stefan Schröder mit einem Magen-Darm-Infekt bei Schwalb abmeldete. Aber Ausreden benötigte am Ende niemand. "Wahrscheinlich spielt sich eben doch alles im Kopf ab", sagte Jansen. Wochenlang hatten sie unter Interimscoach Jens Häusler über die Ursachen für die Abstimmungsprobleme in der Abwehr gerätselt. Mit Schwalbs Rückkehr scheinen sich die Selbstzweifel ins Gegenteil zu verkehren: Selbstvertrauen.

Wie anders ist zu erklären, dass sich der HSV auch nicht davon beunruhigen ließ, dass er in der ersten Halbzeit statistisch ohne Torhüter spielte - Johannes Bitter stand nur zweien der 17 Berliner Würfe im Weg? Oder dass sich Spielmacher Michael Kraus erstmals nach einer gefühlten Ewigkeit wieder seiner schnellen Beine entsann und die Füchse-Abwehr schwindelig spielte? "Einige seiner Szenen waren unglaublich", lobte Schwalb. Aber zufrieden sei er erst, wenn dem Nationalspieler solche Auftritte dreimal die Woche gelängen. Im konkreten Fall hieße das also nicht nur am kommenden Sonntag, sondern auch am Mittwoch im Punktspiel gegen Hannover-Burgdorf (20.15 Uhr, O2 World). "Vollgashandball" will Schwalb dann wieder von seiner Mannschaft sehen. Es sei der Maßstab, den er an sich selbst anlege: "Die Spieler haben das Recht, das gleiche Engagement von mir zu erwarten wie ich von ihnen." Vermisst habe er das Trainerdasein in den vergangenen Monaten als Präsident und Geschäftsführer aber nicht: "Glaubt mir, ich brauche das Adrenalin nicht. Das habe ich in meinem Sportlerleben oft genug gehabt."

Tore, Berlin: Christophersen 8, Nincevic 6, Jaszka 5, Bult 4 (1 Siebenmeter), Richwien 3, Pewnow 2, Romero 2, Laen 2; Hamburg: Lindberg 8 (2), Lijewski 6, Kraus 4, Jansen 4, Vori 3, Duvnjak 2, Flohr 1, Lackovic 1, G. Gille 1. Schiedsrichter: Gjeding/Hansen (Dänemark). Zuschauer: 8904. Zeitstrafen: 1; 4.