Andreas Rudolph ist beim HSV Handball als Präsident zurückgetreten, den Verein führt er weiter. Er telefoniert fast täglich mit Nachfolger Schwalb.

Hamburg. Seit einer Woche nun suchen die HSV-Handballer nach der Entlassung Per Carléns einen neuen Trainer. Der deutsche Meister hat die Angelegenheit zur Chefsache erklärt. Andreas Rudolph, 56, und Martin Schwalb, 48, kümmern sich im Urlaub um sie, der ehemalige Präsident und sein Nachfolger, der Meistertrainer. Die schwierige Fahndung nach dem künftigen Übungsleiter spiegelt dabei exemplarisch die Strukturen im Klub wider, die seit Rudolphs Stabsübergabe im vergangenen Juli an Schwalb beim Handball Sportverein Hamburg herrschen. "Es ist bei uns ein bisschen wie in Russland mit Putin und Medwedew", sagte ein HSV-Aufsichtsrat dem Abendblatt, "der eine hat weiter das Sagen, der andere exekutiert dessen Anweisungen in den Gremien. Die offizielle Hackordnung spielt hier wie da keine Rolle."

Rudolphs Rückzug ins Schattenreich des Mehrheitsgesellschafters der Spielbetriebs GmbH, an der er jetzt 74,9 Prozent der Anteile hält, hat im Innenverhältnis des Vereins wenig geändert; nach außen betont der Boss aber nicht nur mit salopper Freizeitkleidung (Lieblingshose: zerrissene Jeans) den Privatmann. "Ich habe kein Amt, also muss ich mich nicht mehr zu irgendwelchen Vorgängen öffentlich äußern", sagt er ostentativ. Rudolph telefoniert jedoch fast täglich mit Schwalb, beide erörtern die Lage und sprechen ihr weiteres Vorgehen ab. Mit dem Rauswurf Carléns wollte Rudolph, so ist zu hören, seinen Fehler wiedergutmachen, den er glaubt, mit dessen Einstellung begangen zu haben. So oder ähnlich hat es Rudolph immer gehandhabt. Präsidium und Aufsichtsrat dagegen, die nach der Satzung höchsten Instanzen des HSV Hamburg nach der jährlichen Mitgliederversammlung, sind in Entscheidungen nur formal eingebunden; gestalten und kontrollieren, was ihre Aufgabe wäre, können sie kaum etwas, auch weil sie selten umfassend über Ziele, Zahlen und Zahlungen informiert werden.

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"Wer die Musik bezahlt, darf sich eben auch die Lieder aussuchen", sagt Präsidiumsmitglied Sven Hielscher, selbst mit einer sechsstelligen Summe stiller Teilhaber der Spielbetriebsgesellschaft. "Zudem sind wir als HSV in den vergangenen sieben Jahren mit den Entscheidungen Rudolphs nicht ganz schlecht gefahren. Im Gegenteil: Wir sind jetzt einer der führenden Handballklubs der Welt." Rudolph, erfolgreicher wie innovativer Medizinunternehmer aus Ahrensburg, führte Anfang 2005 den Klub aus der Insolvenz zum Meistertitel im Juni 2011. Zwischen 25 und 30 Millionen Euro dürfte er in dieser Zeit in den Verein und die Mannschaft gesteckt haben, und er scheint weiter gewillt, Spitzenhandball in Hamburg mit bis zu vier Millionen Euro im Jahr zu unterstützen. "Es war nie mein Ziel, mit dem HSV Geld zu verdienen. Handball ist nun mal meine große Leidenschaft", sagt Rudolph, der einmal beim OSC Rheinhausen in der Handball-Bundesliga spielte.

Mit der Aufgabe des Präsidentenjobs hatte Rudolph die Spiele seines Vereins "in aller Ruhe", wie er sagt, von der Tribüne aus verfolgen wollen. Damit war es spätestens nach den Niederlagen des HSV in Berlin und Mannheim Mitte September vorbei. Irgendwann tauchte er dann wieder in der Halbzeit in der Kabine auf, und wer das Temperament Rudolphs kennt, weiß, dass es in diesem Moment endgültig mit der Ruhe im Verein vorbei war.