Die HSV-Handballer feiern nach dem 35:30 über den VfL Gummersbach vorzeitig den Titelgewinn. Über 13.000 Fans bejubeln die Champions.

Hamburg. Geschafft! Um 21.45 Uhr knallten Feuerwerkskörper von der Decke der O2 World, dann setzte ein Konfettiregen in Blau-Weiß ein. Die Handballer des HSV sind zum ersten Mal deutscher Meister. Die Mannschaft tanzte nach dem 35:30-(20:14-)Sieg gegen den VfL Gummersbach auf dem Spielfeld im Kreis. Die Zuschauer waren längst aufgestanden und sangen "Oh, wie ist das schön!" Die ersten zwei Champagnerflaschen entkorkten die Kapitäne Pascal Hens und Guillaume Gille und spritzten den Schaumwein in die Linsen der Fotografen. Die zweite Dusche ergoss sich über den Kopf von Trainer Martin Schwalb. Der sagte gerührt: "Das ist ein großer Moment für den Verein und die Jungs. Wir sind am Ziel jahrelanger harter Arbeit." Später griff er zum Hallenmikrofon und schrie mit heiserer Stimme in Richtung Publikum: "Ihr seid alle deutscher Meister. Ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen." Die Antwort: grenzenloser Jubel und "Martin Schwalb, du bist der beste Mann!"-Rufe.

Dass dieser Abend ein besonderer werden würde, war bereits weit vor dem Anwurf zu spüren. Die Ränge in der O2 World füllten sich früher als bei jedem anderen ausverkauften Bundesligaspiel, die Zuschauer, alle in weißen T-Shirts eines Vereinssponsors gekleidet, brachten sich mit rhythmischem Klatschen, Sprechchören und Gesängen in Festtagstimmung. Schon das Aufwärmen der Mannschaften geriet in dieser freudig erregten, prickelnden Atmosphäre zum Event. "Als ich diese Stimmung erlebt habe, wusste ich, wir schaffen es", erzählte Kreisläufer Igor Vori später. Andreas Rudolph, der Präsident der HSV-Handballer, genoss hinter der Werbebande andächtig und beinahe demütig diese Momente.

Als das Spiel begann, war aber auch bei ihm jeder Anflug von Entspannung und Genießen aus seinem Gesicht gewichen, Rudolph ballte die Fäuste, hob die Arme und schrie ins Feld: "Kommt, Jungs!" Und sie kamen. Blazenko Lackovic, Hans Lindberg und Domagoj Duvnjak, sie vor allem, ließen sich von nichts aufhalten, jedenfalls nicht von dieser Gummersbacher Deckung. 17:9 führten die Hamburger nach 22 Minuten, und die Statistiker hatten in dieser Zeit gerade einen Fehlwurf im Angriff notiert, jedoch fünf Paraden von HSV-Torhüter Johannes Bitter, den Vedran Zrnic selbst von der Siebenmeterlinie nicht überwinden konnte.

"Ich wusste, wenn wir unser Ding durchziehen, dann wird uns Gummersbach nicht gefährlich werden können", sagte Bitter, bereits in das schwarze Meistershirt gewandet. Das Spiel, das den HSV endgültig zum Meister machen sollte, war ein Spiegelbild dieser Saison. Ein starker Torhüter hinter einer zupackenden Abwehr und dann immer wieder diese schnellen Gegenangriffe, die Tore aus der zweiten Welle heraus, wenn sich die gegnerische Hintermannschaft noch nicht wieder formiert hat. Diese Art Handball hatte zuletzt immer den THW Kiel ausgezeichnet, in dieser Saison aber setzte kein Team das Tempospiel besser um als der HSV - im Stil eines Champions eben.

Dass den Hamburgern in der zweiten Hälfte nicht alles derart perfekt gelingen würde wie in der Anfangsphase, der eingewechselte Torhüter Per Sandström bildete da eine Ausnahme, durfte wohl niemand erwarten. Schließlich war das Spiel spätestens in der 38. Minute entschieden, als Torsten Jansen einen Tempogegenstoß mit dem Treffer zum 27:19 abschloss. Erwähnt werden sollte allerdings die Leistung des Gummersbacher Nationalspielers Adrian Pfahl. Der Halbrechte warf zehn Tore und mag damit das Interesse des HSV an ihm weiter gesteigert haben. Vor einem Jahr waren sich beide Seiten bereits sehr nahe gekommen.

Doch dieser Abend war kein Abend für Vertragsgespräche. Das Thema war ein anderes: "Wer wird deutscher Meister? Ha, Ha, Ha, Ha, Es, Vau!", hallte es von der 46. Minute an aus dem Fanblock. Diese Ahnung sollte nicht trügen. Es durfte alsbald gefeiert werden - bis in den frühen Morgen. Die Party für die Spieler geht noch weiter. Heute um 11 Uhr startet ihr Flugzeug Richtung Mallorca. Offizieller Titel des viertägigen Ausflugs zur Finca von HSV-Präsident Rudolph: Trainingslager ...

Die Tage in Spanien werden einige Spieler brauchen. "Ich bin froh, dass es vorbei ist. Das Spiel war nicht zum Aushalten. Endlich fällt die ganze Spannung ab. Ich bin jetzt einfach nur stolz auf das, was wir geleistet haben", meinte Linkshänder Marcin Lijewski. Die Meisterschaft ist jedoch nicht das Ende alle Träume. Am 28./29. Mai in Köln will der HSV auch noch Champions-League-Sieger werden. "Wir können mit diesem großartigen Team alles erreichen", jubelte Vori, "wir sind die beste Mannschaft der Welt - oder doch zumindest eine der besten."

Tore, HSV: Lindberg 7 (3 Siebenmeter), M. Lijewski 6, Lackovic 5, Jansen 4, B. Gille 3, Duvnjak 3, Hens 2, Vori 2, Schröder 1, K. Lijewski 1, Flohr 1 (1); Gummersbach: Pfahl 10 (2), Wiencek 5, Vukovic 5, Krantz 3, Putics 3, Lützelberger 2, Wagner 1, Schindler 1. Schiedsrichter: Damian/Wenz (Bingen/Mainz). Zuschauer: 13 296 (ausverkauft). Zeitstrafen: 3; 2

Lesen Sie von morgen an die Abendblatt-Serie: Die Meistermacher. Erste Folge: Erfolgstrainer Martin Schwalb, der künftig den HSV-Präsidenten und Geschäftsführer geben wird