Hamburg. Am Wochenende beginnt die traditionelle Galoppwoche auf der Horner Rennbahn. Höhepunkt ist das 150. Deutsche Derby.

Ganz übel endete ein gewisser Alchimist, Derbysieger von 1933 und Vater von Schwarzgold, das einige Zeit wohl beste Rennpferd Europas. Er wurde 1945 nach dem Einmarsch der Roten Armee auf dem Gestüt Graditz in Sachsen wegen „Widersetzlichkeit“, also Ungehorsam, erschossen, landete in der Feldküche und unrühmlich als Wurst auf dem Teller russischer Soldaten – sonst hätte er als Deckhengst sicherlich noch mehr Spuren hinterlassen.

Diese Geschichte ist nur eine in inzwischen 149 Jahren Deutsches Derby, jenem Galopprennen um das Blaue Band in Hamburg, das noch immer zu den prominentesten weltweit gehört und das in seinen besten Zeiten Kaiser, Könige und Bürgermeister zu seinen Ehrengästen zählte. Seit 1869, damals noch als Norddeutsches Derby, wird es in der Hansestadt gelaufen – und, bis auf wenige Ausnahmen in Kriegszeiten, auf der Rennbahn in Horn. Übernächsten Sonntag ist das 150. Jubiläumsrennen Höhepunkt der Derbywoche, die an diesem Sonnabend beginnt. Ein Senatsempfang im Rathaus am kommenden Montag für alle Mitglieder des Rennvereins soll die Bedeutung der traditionellen Sportveranstaltung als gesellschaftliches Event für die Stadt unterstreichen.

2018 lag der Wettumsatz bei 2,5 Millionen Euro

Entsprechend stolz präsentierte Renn-Club-Präsident Eugen-An­dreas Wahler nun das Programm für die sieben Renntage und seine Einschätzung der Teilnehmer. „Die Breite der Spitze ist in diesem Jahr sehr groß“, sagte er. Zwölf Rennen sind allein am Tag des wichtigsten Rennens (7. Juli) geplant. Das 150. Idee Deutsche Derby, benannt nach Mäzen und Kaffee-Unternehmer Albert Darboven (83), ist mit 650.000 Euro dotiert und damit das lukra­tivste. Insgesamt werden in den 65 Rennen 1,95 Millionen Euro ausgeschüttet. Die Frage nach dem Wettumsatz auf der Bahn wird in der Branche nach den finanziellen Aderlassen durch die Online-Konkurrenz eher schmallippig beantwortet.

Renn-Club-Vorstandsmitglied Hans-Ludolf Matthiessen rasselt die Zahlen schnell herunter: „2,5 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr. Wir wünschen uns eine fünf- bis zehnprozentige Steigerung. Mit 2,8 Millionen wären wir zufrieden. Drei Millionen werden wir nicht erreichen.“ Zahlen, die so gerade zum Überleben reichen. 70.000 Euro betrug das Minus 2018. Denn der Galoppsport in Deutschlands Nischen hat es schwer. Anderswo in Europa boomt er. Noch. Frankreich gilt als Zentrum des Pferdesports. Im englischen Ascot wird das berühmteste Rennen der Welt ausgetragen, und auch in Italien holen die Galopper die Massen an die Bahnen in Mailand und Co..

Noch nie hat eine Frau gewonnen

Dennoch lockt die Derbywoche in Hamburg immer noch die Crème de la Crème in die Hansestadt. Favorit für das Jubiläumsrennen über die 2400-Meter-Distanz ist Laccario, ein Hengst aus dem Gestüt Ittlingen und bearbeitet von Star-Trainer Andreas Wöhler (57). Er scheint nach den bisherigen Saisonleistungen die besten Siegchancen zu haben. Aber auch Henk Grewe (36), 2018 als Erfolgstrainer gewählt, will endlich den ersten Derbysieg landen. Django Freeman heißt sein diesjähriger Hengst. „Wir wollen gemeinsam in Hamburg Geschichte schreiben“, sagte er „rp online“ kürzlich.

Die Derbywoche

Programm:

Sieben Renntage von Sonnabend, 29. Juni, bis Sonntag, 7. Juli. Rennfrei sind Dienstag und Donnerstag.

Beginn:

Sa, So ab 13.30 Uhr, Mo, Mi ab 16.15 Uhr, Fr ab 15.30 Uhr, Sa und So ab 10 Uhr.

Tickets:

Mo und Mi Eintritt frei. Stehplatz von 10 bis 40 Euro, Tribüne von 35 bis 75 Euro, ohne Catering. Hotline: 040/651 82 81.

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Besonders interessant ist eine Personalie rund um Pferd Nummer drei, Quest the Moon, aus dem Stall Salzburg in München. Er wird trainiert von Sarah Steinberg (31). In der Geschichte des Derbys hat noch nie eine Frau als Trainerin und auch nicht als Reiterin gewonnen. Das könnte sich nun ändern. Harald Schneider, Racing-Manager des renommierten Stalls, arbeitet mit Steinberg seit vier Jahren zusammen. „Man schätzt sich“, sagt er zum Arbeitsverhältnis. „Sie ist fleißig, macht intuitiv vieles richtig und ist offen für neue, technische Details.“ Das allerdings, gibt er zu, sei seine Sache nicht. „Aber ich lasse sie.“

Der Erfolg gibt der modernen Arbeitsweise mit Puls- und Geschwindigkeitsmesser recht. 27 Rennen gewannen von ihr trainierte Pferde im vergangenen Jahr, davon 18 in Frankreich. Mehr als eine halbe Million Euro verdienten Steinberg-Pferde im Nachbarland. Und nun also Quest the Moon, Sohn von Sea the Moon, der 2014 spektakulär mit elf Längen das Derby gewann. „Das Deutsche Derby ist unser Jahresziel“, hat Steinberg schon zu Anfang des Jahres selbstbewusst als Losung ausgegeben. Frauenpower eben.

Zum Derby-Jubiläum ist im Deutschen Sportverlag zum Preis von 29.90 Euro das Buch „Hamburger Derby-Reden“ von Peter Brauer und Patrick Bücheler erschienen.