Das fertiggestellte Trainingsareal und Trainer Roland Vrabec könnten auf Dauer eine ideale Kombination für den FC St. Pauli sein. Insgesamt rund vier Millionen Euro hat der Kiez-Club in das gesamte Areal investiert.

Hamburg. Noch werden ein paar Terrassensteine rund um das schneeweiße Gebäude gelegt, eine Hecke und ein paar Pflanzen fehlen bislang auch. Doch innen präsentiert sich das neue Schmuckstück des FC St. Pauli, das Funktionsgebäude auf dem Trainingsgelände an der Kollaustraße in Hamburg-Niendorf, in vollem Glanz. „Nur ein paar individuelle Noten werden noch in die einzelnen Räume kommen“, sagt St. Paulis Sportchef Rachid Azzouzi beim Rundgang am Montagnachmittag.

Insgesamt rund vier Millionen Euro hat der Kiez-Club in den vergangenen Jahren in das gesamte Areal, zu dem zwei Rasenplätze und ein Kunstrasenplatz gehören, investiert. Rund 1,2 Millionen Euro davon kamen dabei von der Abteilung Fördernder Mitglieder (AFM), die inzwischen 11.000 Mitglieder hat. „Dies ist ein Quantensprung für den Verein“, sagt Azzouzi.

Das Gebäude ist in einen Flügel für die Profimannschaft und einen für die Nachwuchsteams von der U17 bis hoch zur U23 aufgeteilt. In der Mitte befindet sich ein Rondeel. Hier sind im Erdgeschoss ein großzügiger Kraftraum mit modernen Geräten im Gesamtwert von rund 100.000 Euro sowie im Obergeschoss ein Saal für Videoanalysen, gemeinsame Mahlzeiten oder für Gymnastik untergebracht.

„Wenn wir dies hier jungen Spielern zeigen, haben wir jetzt sicherlich eine höhere Chance, ihn an uns zu binden als vorher“, sagt Vizepräsident und Ex-Profi Jens Duve. „Das Mobiliar ist in den verschiedenen Räumen vorwiegend individuell nach unseren Bedürfnissen gebaut worden“, berichtet Azzouzi. So haben die Spinde in ihrer Kabine des Profiteams jeweils schmale Schlitze im oberen Bereich. „Das ist für die Fanpost“, klärt Azzouzi auf.

Auch für den derzeitigen Cheftrainer Roland Vrabec erfüllt das neue Trainingszentrum die höchsten Ansprüche. „Dem Verein ist hier etwas ganz Großes gelungen. Es gibt überhaupt nichts zu bemängeln. Es ist perfekt“, sagte der 39-Jährige am Montag.

Damit gab er ungewollt auch das Stichwort für seine bisherige Bilanz als verantwortlicher Trainer – „perfekt“. Auf Anhieb gelangen der Mannschaft des FC St. Pauli in den ersten beiden Spielen unter seiner Regie erstmals in dieser Saison zwei Siege in Folge. Dem 3:0 gegen Cottbus folgte am Sonntag der 1:0-Auswärtserfolg beim VfR Aalen und der Sprung auf den vierten Tabellenplatz der Zweiten Liga. „Ich bin natürlich glücklich über diese Bilanz. Und der Blick auf die Tabelle ist ein schönes Gefühl“, sagte Vrabec am Montag.

Doch der 39 Jahre alte Fußballlehrer ist kein Typ, der sich an dem bisher Erreichten ergötzt. Auch am Tag nach dem Auswärtssieg in Aalen sprach er sehr deutlich die Aspekte an, die ihm im Spiel seiner Mannschaft missfallen haben: „Wir haben es nach 60 Minuten nicht mehr geschafft, längere Ballbesitzphasen zu haben und uns dabei erholen zu können. Zudem haben wir die Konterangriffe einfach nicht gut zu Ende gespielt, der letzte, entscheidende Pass hat gefehlt. Da müssen wir besser werden.“

Anderseits ist Vrabec auch kein Nörgler und versteht es, an der richtigen Stelle Lob auszusprechen. Dabei kamen die ersten 60 Minuten von Aalen seiner Idealvorstellung, wie seine Mannschaft auftreten soll, schon recht nahe. „Wir hatten uns vorgenommen, von Anfang an dominant aufzutreten und den Gegner unsere Selbstsicherheit spüren zu lassen“, erläuterte Vrabec in der Nachbetrachtung. Tatsächlich war die Aalener Mannschaft davon derart beeindruckt, dass sie es trotz Heimvorteils erst nach einer halben Stunde schaffte, St. Paulis Torwart Philipp Tschauner zu prüfen.

Vrabec’ Erfolgsbilanz in seinen ersten beiden Spielen als Chefcoach bringt es nun mit sich, dass es schon am Freitag (18.30 Uhr) mit der Partie gegen den 1. FC Köln zu einem echten Zweitliga-Spitzenspiel im Millerntor-Stadion kommen wird. Für den Trainer sind dann allerdings die Voraussetzungen etwas anders als zuletzt gegen Cottbus und Aalen. „Die Kölner haben ganz klar den Anspruch aufzusteigen und damit mehr Druck als wir. Das wird ein schönes Highlight-Spiel am Freitagabend“, sagt Vrabec voller Vorfreude.

Dabei umtreibt ihn keinesfalls eine große Sorge, in diesem Match könnte seine bisher makellose Bilanz die ersten Flecken erhalten. „Natürlich wollen wir uns jetzt sehr gern oben in der Tabelle festbeißen und das Spiel nicht einfach so herschenken. Aber wenn wir alles gegeben haben und es am Ende dann doch nicht reicht, ist es auch nicht tragisch“, sagt er. Dabei verweist Vrabec auf die „brutale Qualität“ der Kölner Mannschaft, die allerdings überraschend ihre beide jüngsten Punktspiele verloren hat, sodass St. Pauli am Freitag mit einem Sieg sogar in der Tabelle an den Kölnern vorbeiziehen kann.

Dabei steht über allem die noch unbeantwortete Frage, ob Roland Vrabec auch über die Winterpause hinaus Cheftrainer des FC St. Pauli bleiben darf. Bisher sind alle Argumente auf seiner Seite. Vier Spiele stehen noch zur weiteren Bewährung aus. Ein weiterer starker Auftritt seines Teams am Freitag gegen Köln und am besten noch ein weiterer Sieg, könnten womöglich schon eine Vorentscheidung in dieser Frage darstellen.

„Ich schiebe dieses Thema von mir weg und denke nicht jeden Tag daran“, sagt Vrabec glaubhaft. „Es wird ja nicht nur darum gehen, wie viele Punkte wir in diesen insgesamt sechs Spielen holen, sondern auch darum, wie wie wir uns insgesamt präsentieren. Das Gesamtbild wird entscheidend sein“, sagt Vrabec. Und weiter: „Natürlich würde ich mich freuen, wenn es für mich nach der Winterpause als Cheftrainer weitergeht, ich freue mich aber auch jetzt schon über die sechs Spiele. Und wenn es nicht weitergeht, ist es auch kein Beinbruch. Es geht ja in erster Linie ums Team und darum, wie wir spielen.“