Der FC St. Pauli siegt beim VfR Aalen verdient mit 1:0 und setzt sich oben fest. Trauer um Walter Frosch. Am Ende der Partie wagte Siegtorschütze Nöthe schon einen Blick nach vorn.

Aalen. Als die Nachspielzeit schon abgelaufen war, streckte sich Philipp Tschauner ein letztes Mal nach dem Ball, packte ganz fest zu, begrub ihn unter seinem großen Körper und schien gar nicht mehr aufstehen zu wollen. Erst als Schiedsrichter Felix Zwayer dem Torwart des FC St. Pauli klarmachte, dass er nun das Spielgerät haben wollte, ließ sich Tschauner dann doch noch erweichen, seine horizontale Position wieder aufzugeben. Es war die letzte Szene in einem Spiel, das für die Mannschaft vom Millerntor mit einem insgesamt verdienten 1:0 (1:0)-Auswärtssieg beim VfR Aalen und dem damit verbundenen Sprung auf den vierten Tabellenplatz der Zweiten Liga endete.

„Wir haben am Ende glücklich gewonnen“, sagte Tschauner angesichts der Tatsache, dass seine Mannschaft nach einer deutlichen Überlegenheit in der ersten Halbzeit zunächst einige Chancen für ein zweites Tor vergab und am Ende öfter als nötig ansatzweise selbst in Gefahr geriet. Doch nicht zuletzt Tschauner war es, der sein Team vor einem Gegentor bewahrte. „Dafür stehe ich ja da hinten“, sagte er lakonisch, „aber natürlich ist es immer schön, zu null zu spielen.“

Es war bereits das zweite Spiel in Folge, in dem er keinen Gegentreffer zuließ. Mehr noch: Nach dem 3:0 vor zwei Wochen gegen Energie Cottbus gelang St. Pauli jetzt zum ersten Mal in dieser Saison der zweite Sieg in Folge. „Das war es, was wir uns vorgenommen hatten“, sagte Torschütze Christopher Nöthe. Es war auch für Roland Vrabec im zweiten Spiel, seit er zum „Cheftrainer auf Bewährung“ befördert worden war, der zweite Erfolg. Seine Bewerbung für eine längerfristige Tätigkeit in dieser Rolle könnte bisher besser kaum sein.

Kurzfristig hatte St. Paulis Teammanager Christian Bönig Trauerflore besorgen können, mit denen die Spieler in Gedenken an den am Sonnabend verstorbenen Walter Frosch (Seite 6) auflaufen konnten. Auch einige der rund 2000 Mitgereisten hatten schnell auf die traurige Nachricht vom Tod des früheren Bundesligaspielers ihres Clubs reagiert und ein großes Transparent mit der Aufschrift „Wir trauern um Walter Frosch“ gefertigt und an den Stadionzaun gehängt.

St. Paulis Trainer Vrabec hatte im Wesentlichen die Besetzung auf das Feld geschickt, der er schon beim 3:0 gegen Energie Cottbus 13 Tage zuvor das Vertrauen geschenkt hatte. Neu in der Startformation in der Aalener Scholz-Arena war nur Bernd Nehrig, der allerdings gegen Cottbus schon mit Beginn der zweiten Halbzeit den am Oberschenkel verletzten Jan-Philipp Kalla ersetzt hatte. An der taktischen Grundausrichtung mit der gegen Cottbus erfolgreichen Rautenformation im Mittelfeld aber änderte sich nichts. Und Vrabec’ Team knüpfte mit Spielbeginn auch umgehend an die Leistung des bisher höchsten Heimsiegs an. Mit einem vorbildlichen Pressing drängten die Kiezkicker die ohnehin eher defensiv ausgerichteten Aalener in deren eigene Spielhälfte. Schon in der dritten Spielminute tauchte nach einer sehenswerten Kombination über Nehrig und Stürmer Christopher Nöthe Mittelfeldspieler Marc Rzatkowski ganz allein vor Aalens Torwart Jasmin Fejzic auf, der den Schuss aus kurzer Distanz aber abblocken konnte.

Nach einem Freistoß von Rzatkowski sprang der Ball an die Latte des Aalener Tores (9.), danach rutsche Fin Bartels erst knapp am Ball vorbei (12.) und verfehlte ihn danach (25.) bei einem Kopfball-Versuch.

Doch bevor der Frust über die vergebenen Torchancen zu groß wurde, hatte Christopher Nöthe seinen bisher besten Auftritt im Dress des FC St. Pauli. „Sebastian Schachten hat den Ball sehr schön zu mir gelupft, ich habe ihn mit der Brust angenommen und wollte dann nur noch in Richtung Tor. Die 1:1-Situation im Strafraum habe ich gewonnen und dann den Ball auf das Tor geschossen“, beschrieb Nöthe das Siegtor aus seiner persönlichen Sicht ganz nüchtern und sachlich. „Aber zu Hause werde ich mir das noch einmal ganz genau ansehen“, sagte Nöthe weiter. Tatsächlich hatte er mit zwei, drei Haken im Strafraum gleich zwei Gegenspieler düpiert und dann auch den sehr sicheren Aalener Torwart Jasmin Fejzic überwunden.

Nöthe wusste aber auch, dass er gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit (48.) seinem Team einen noch größeren Dienst hätte erweisen und vor einer Zitterpartie hätte bewahren können. Nach einem gezielten Steilpass von Marc Rzatkowski strebte Nöthe allein auf das Aalener Tor zu, schoss den Ball aber auch zu seinem eigenem Entsetzen am Tor vorbei. „Den Treffer muss ich machen. Ich glaube, ich habe mich schon zu früh gefreut“, sagte er nachher.

Die Folge war, dass sich in der zweiten Halbzeit ein Spiel entwickelte, in dem sich beide Teams mit Ballverlusten in der gegnerischen Hälfte und daraus resultierenden Kontern übertrafen. „Das war ein Pingpong-Spiel. Genau das wollten wir vermeiden. Wir hatten uns vorgenommen, noch mehr Ballkontrolle zu haben und das Tempo zu variieren“, sagte Trainer Vrabec, der seinen zweiten Sieg im zweiten Spiel feiern und somit weiter Argumente für eine mögliche Vertragsverlängerung sammeln konnte.

Auch Manager Rachid Azzouzi befand: „Das Spiel war oft sehr offensiv, fast wie beim Angriffstennis. Das zeigt, dass wir in der Umsetzung unserer taktischen Pläne noch Luft nach oben haben.“ Am Ende wagte Siegtorschütze Nöthe schon einen Blick nach vorn: „Am Freitagabend haben wir gegen den 1. FC Köln ein tolles Heimspiel. Dann sind wir aber nicht der Favorit.“