Der neue Coach soll den Verein nicht im kommenden Sommer schon wieder verlassen. Andernfalls fürchtet Manager Azzouzi „große Probleme in Bezug auf die Kaderplanung“. Frontzeck widerspricht Darstellung.

Hamburg. Eine solche Trainerentlassung hat es im deutschen Profi-Fußball, wenn überhaupt, nur höchst selten gegeben. Am Mittwoch um acht Uhr beurlaubte der FC St. Pauli seinen Cheftrainer Michael Frontzeck mit sofortiger Wirkung und sorgte für einen nicht ansatzweise erwarteten Knalleffekt. Weder ein sportlicher Misserfolg noch eine zu hohe Gehaltsforderung waren der Grund für die Trennung. Vielmehr war es über den Zeitpunkt einer von beiden Seiten grundsätzlich angestrebten Vertragsverlängerung derart zum Streit gekommen, dass sich am Ende die Vereinsführung des Zweitliga-Achten einstimmig zur Beurlaubung des Trainers entschloss.

„Michael hat uns mit der Forderung nach einer sofortigen Vertragsverlängerung erheblich unter Druck gesetzt. Diesen Weg konnten und wollten wir so nicht gehen“, sagte St. Paulis Präsident Stefan Orth am Mittwochvormittag. „Der Verein muss immer das Heft des Handelns in der Hand behalten. Niemals wird sich der FC St. Pauli einem derartigen Ultimatum unterwerfen“, erklärte er weiter. Im Gespräch mit dem Abendblatt widersprach Frontzeck der Darstellung, er habe dem Präsidium ein solches Ultimatum gestellt. „Ich bin ja nicht erst seit drei Monaten hier, sondern seit September 2012. Nach diesen 14 Monaten wissen alle, wie ich arbeite. Da ist es meines Erachtens nicht zu viel verlangt, sondern vollkommen legitim, dass man wissen möchten, wie es im kommenden Sommer weitergeht“, sagte Frontzeck. Wenn man jetzt nicht verlängere, dann sei dies ein Zeichen, dass im Sommer Schluss ist.

Das ehrenamtliche Präsidium des Kiezclubs und der hauptamtliche Sportchef Rachid Azzouzi hatten bereits zu Beginn dieser Saison entschieden, die sportliche Entwicklung der Mannschaft bis zur Winterpause abzuwarten und dann mit Frontzeck und dem gesamten Trainerteam über neue Verträge zu sprechen. Dies hatte Azzouzi zuletzt auch in öffentlichen Statements mehrmals betont und signalisiert, dass man das Team auf einem guten Weg sehe und sich eine weitere Zusammenarbeit gut vorstellen könne. Auf keinen Fall aber wollten er und das Präsidium jetzt einen Trainer haben, der im kommenden Sommer den Verein verlässt. „Dies würde allein schon in Bezug auf die Kaderplanung große Probleme mit sich bringen“, sagte Azzouzi.

„Diese positiven Signale, von denen jetzt die Rede ist, gab es aber nur nach außen“, sagte Frontzeck am Mittwoch. Er hatte offenbar den Eindruck, dass er und seine Arbeit intern eher kritisch gesehen würden, und bestand nun auf einem Vertrauensbeweis in Form einer Vertragsverlängerung. Azzouzi räumte ein, dass er in den vertraulichen Gesprächen mit Frontzeck durchaus die in den Spielen zu Tage getretenen Defizite angesprochen habe. Zudem hatte Frontzeck missfallen, dass der besagte Zeitplan für die Vertragsgespräche nicht mit ihm vor Saisonbeginn abgestimmt worden war. „Er ist mir einfach nur mitgeteilt worden“, sagte er jetzt.

Frontzeck sprach frühzeitig vor

Bereits vor rund vier Wochen hatte der Cheftrainer die Initiative ergriffen und das Präsidium sein Anliegen auf eine baldige Vertragsentscheidung vorgetragen. Danach folgten noch drei Spiele in der Zweiten Liga, genauer der überraschende 4:2-Sieg bei Bundesliga-Absteiger Greuther Fürth, ein vom Ergebnis her enttäuschendes 0:0 daheim gegen den SV Sandhausen sowie am vergangenen Sonnabend mit dem 1:4 beim 1. FC Kaiserslautern die bisher höchste Saisonniederlage.

In dieser Zeit hatte es mehrfach Gespräche der Vereinsführung mit Frontzeck und seinem Berater Marc Kosicke gegeben. „Wir haben uns in verschiedenen personellen Konstellationen getroffen, um das Problem zu beseitigen“, berichtete jetzt Präsident Orth. Am vergangenen Montag habe Frontzeck dann eine Entscheidung innerhalb von zwei Tagen gefordert und den Raum verlassen. Am späten Dienstagabend traf das Präsidium dann die Entscheidung zur Beurlaubung.

Anders als Frontzeck selbst teilen die Clubchefs und Sportdirektor Azzouzi die 14-monatige Amtszeit des Trainers in zwei Abschnitte. „Als er im September vergangenen Jahres kam, ging es nur darum, den Klassenverbleib sicherzustellen. Dieses Ziel wurde ja zwei Spieltage vor dem Saisonende erreicht. Im Sommer haben wir dann noch einen personellen Umbruch vorgenommen und wollen jetzt mit der neuen Mannschaft wieder das Ziel verfolgen, zu den Top 25 des deutschen Fußballs zu gehören. Wir sind auf einem guten Weg, auch wenn es manchmal noch eine Achterbahnfahrt ist“, sagte Azzouzi. Daher sei es nicht ungewöhnlich, dass man die in diesem Kalenderjahr noch ausstehenden sechs Spiele in die Bewertung einbeziehen wollte.

Schon im Sommer hatte es zwischen Frontzeck und Präsident Orth gekracht

Die Beziehung zwischen Trainer und Präsidium hatte aber auch schon zu Beginn dieser Saison einen Riss bekommen. Nachdem Präsident Orth vor dem Auftaktspiel gegen 1860 München (1:0) auf einen „klaren Sieg“ getippt hatte, übte Frontzeck auf der Pressekonferenz nach dem Spiel harte Kritik daran – und zwar ohne danach gefragt worden zu sein. Intern soll Frontzeck für dieses öffentliche Vorpreschen bereits damals abgemahnt worden sein. Nach außen hieß es nur, man habe sich „unter Männern“ ausgesprochen. Trotz allem sagte Frontzeck zum Abschied: „Ich werde ein Fan dieses Clubs bleiben.“