Die Verantwortlichen des FC St. Pauli ziehen nach dem versöhnlichen 2:1-Sieg in Kaiserslautern die Lehren aus einer verkorksten Saison.

Hamburg. Die Stimmung beim FC St. Pauli war am Montagmorgen ausgelassen. Am Tag nach dem dritten Auswärtssieg der Saison, dem ebenso versöhnlichen wie bedeutungslosen 2:1-Erfolg auf dem Betzenberg in Kaiserslautern, drangen Gelächter und Applaus vom gemeinsamen Frühstück im Containerdorf an der Kollaustraße durch die Fenster nach draußen. Kurze Zeit später verließen die Spieler feixend, hupend und in Vorfreude auf den anstehenden Urlaub das Trainingsgelände. Am Abend machte sich ein Großteil der Mannschaft auf zur Saisonabschlussfahrt nach Mallorca, danach warten knapp drei Wochen entspannte Auszeit auf die Profis. Zeit, eine Saison zu verarbeiten, die so niemand erwartet hatte, eine Saison, die gezeigt hat, wie schnell aus einem Aufstiegskandidaten ein Fast-Absteiger werden kann und welche Auswirkung falsche Entscheidungen in Schlüsselpositionen haben können. Zeit aber auch für die Verantwortlichen, Bilanz zu ziehen und dafür zu sorgen, dass die nächste Saison einen anderen, positiveren Verlauf nimmt.

Dass der Grundstock an Spielerpersonal vorhanden ist, um in der Zweiten Bundesliga eine bedeutendere Rolle einzunehmen als in der vergangenen Spielzeit, zeigte die Mannschaft von Trainer Frontzeck am letzten Spieltag bei Angstgegner Kaiserslautern. Sie brachte den Pfälzern, die in der Relegation noch um den Bundesligaaufstieg kämpfen, die zweite Heimniederlage der Saison bei und präsentierte sich vor allem in der ersten Halbzeit in hervorragender Spätform. "Es war zu sehen, was möglich ist, wenn der Druck einmal weg ist", sagte Michael Frontzeck. Obwohl der Trainer seine Elf erneut auf einigen Positionen umbauen musste, stand die Mannschaft in der Abwehr um den starken Innenverteidiger Jan-Philipp Kalla lange Zeit sicher und zeigte noch einmal, dass in der Offensive spielerisches Potenzial durchaus vorhanden war, nur eben zu selten abgerufen werden konnte. "Das hat gestern ordentlich Spaß gemacht", sagte Frontzeck. "Uns war wichtig, dass wir mit einem positiven Abschluss in den Urlaub und die neue Saison gehen."

Die gesamte Saison hatte St. Pauli mit dem zu kleinen Kader zu kämpfen

Ein positives Gefühl, dass der Mannschaft und dem gesamten Verein meistens verwehrt geblieben war in den vergangenen Monaten. "Es war eine komplizierte Saison, wir konnten nie kontinuierlich mit demselben Spielerpersonal arbeiten, mussten die Anfangself häufig wechseln und den Kader mit Jugendspielern aufstocken", erklärte der Trainer.

Der Hauptgrund dafür ist noch vor der Saison zu suchen. Die Querelen um den Rausschmiss von Sportchef Helmut Schulte und die Weiterbeschäftigung von Trainer André Schubert führten dazu, dass der Kader zum Vorbereitungsstart weit entfernt war von Vollständigkeit. Und dass in der Kürze der Zeit nicht genug Qualität hinzugeholt werden konnte. Mit dem zu kleinen Kader hatte die Mannschaft die gesamte Saison zu kämpfen, da auch die Verletztenliste ständig gut gefüllt war.

Die Lehren sind bereits gezogen. Zum Trainingsstart sollen mindestens 22 einsatzbereite Spieler auf dem Platz stehen. Mit Marc Rzatkowsi (Bochum), Marcel Halstenberg (Dortmund II) sowie den beiden Fürthern Christopher Nöthe und Bernd Nehrig hat Sportdirektor Rachid Azzouzi bereits vier neuzugänge vorgestellt. Im Sturm und auf der Position vor der Abwehr werden noch Verstärkungen gesucht. Dafür ist der Verein auch bereit, etwas mehr Geld auszugeben. "Die vier neuen stehen uns gut zu Gesicht", sagte Frontzeck. "Wir wollen die richtige Mischung finden aus jungen talentierten Spielern und ligaerfahrenen Profis." Die Erfahrung sei in dieser Saison aufgrund der kurzfristig getätigten Transfers nicht ausreichend gegeben gewesen.

Als positiv empfand Frontzeck vor allem, dass im Umfeld auch in prekären Situationen alle die Nerven behalten haben und dass seine Mannschaft mit dem Rücken zur Wand zumeist starke Leistungen gezeigt hat. Als Schlüsselspiele nannte der 49-Jährige die Partie zu Beginn seiner Amtszeit gegen Dresden, als St. Pauli zu Hause 0:2 zurücklag, um dann noch 3:2 zu gewinnen. "Hätten wir da verloren, ich glaube nicht, dass wir dann in München in der Lage gewesen wären, so ein Spiel abzuliefern." St. Pauli gewann bei 1860 mit 2:0 und konnte sich Luft verschaffen. Zudem sei das 0:0 in Duisburg vor wenigen Wochen nach der unnötigen Heimpleite gegen Hertha wichtig gewesen für die Psyche. "Das war ein wichtiges Spiel, und wir haben richtige Entscheidungen getroffen", sagte Frontzeck, der vor dem Spiel entschied, die Abwehr umzustellen und Kalla in die Innenverteidigung, sowie Patrick Funk auf die rechte Abwehrseite zu versetzen. "Ich bin froh, dass wir das Risiko eingegangen sind und dass es funktioniert hat", sagte er.

Mehr Risiko ist auch vom FC St. Pauli 2013/14 zu erwarten. Frontzeck, der sein Trainerteam noch um einen neuen Co-Trainer erweitern möchte, kündigte an, in der kommenden Saison taktisch etwas anders spielen zu lassen. In einigen Spielen sei es schon ganz gut gelungen, so der Fußballlehrer, in Zukunft solle aber noch konsequenter gegen den Ball gearbeitet und höher verteidigt werden. "Schon aufgrund des Weggangs von Daniel Ginczek, der mit seiner Schnelligkeit viele Räume nutzen konnte, müssen wir unser Spiel etwas verändern. Auch bei Ballverlusten wollen wir vorne dranbleiben", so Frontzeck. "Wir werden sicher unseren Stil finden."