Beim 1:1 gegen den FC Ingolstadt vergibt der FC St. Pauli erneut zahlreiche Torchancen und damit wie schon zum Auftakt in Aue den möglichen Sieg.

Hamburg. Sebastian Schachten war der Erste, der Trost spendete. Auch Marius Ebbers, St. Paulis Torwarttrainer Mathias Hain, Physiotherapeut Peter Ott und Reservist Carlos Zambrano führte der Weg nach dem Abpfiff des 1:1 gegen den FC Ingolstadt direkt zu Daniel Ginczek, der auf dem Rücken liegend die Hände über das Gesicht geschlagen hatte und regungslos im Mittelkreis des Millerntor-Stadions verharrte. Als auch Trainer André Schubert und der Rest der Kollegen und Betreuer kondoliert hatten, schloss sich noch FCI-Coach Tomas Oral an und gab dem mittlerweile aufrecht sitzenden Angreifer einen aufmunternden Klaps auf den Hinterkopf. "Ich glaube, er war ganz froh, dass ich den Ball nicht reingemacht hatte", sagte Ginczek später mit gequältem Lächeln, "es tut mir einfach unfassbar leid für die Mannschaft und die Fans."

+++ Zambrano wartet auf seinen Nachfolger +++

+++ Mohr ist Gegenwart und Zukunft, Gogia auf der Gegenfahrbahn +++

Gleich zweimal hatte Ginczek in den Schlussminuten die große Chance auf den Siegtreffer vergeben. Keine 30 Sekunden nach seiner Einwechslung hatte er sich im Strafraum entschlossen durchgesetzt, den Ball aber aus zehn Metern über das Tor gewuchtet (83.), sechs Minuten später vergab er völlig freistehend aus elf Metern. "Das waren Tausendprozentige! Im Training mache ich in dieser Situation von zehn Versuchen zehn rein", haderte die 21-jährige Leihgabe von Borussia Dortmund mit sich selbst. Es waren spielentscheidende Fahrlässigkeiten, da in der Schlussviertelstunde bereits Florian Kringe und Mahir Saglik knapp am 2:1 gescheitert waren, während Marius Ebbers gleich zu Beginn der Partie die größte Chance vergeben und unbedrängt aus sechs Metern zu hoch gezielt hatte. Bereits beim 0:0 in Aue hatten Ebbers und Co. zahlreiche Einschussmöglichkeiten nicht nutzen können, sodass der Saisonauftakt mit zwei Spielen, einem Tor und zwei Punkten deutlich positiver hätte ausfallen müssen. Ein Startschuss mit Ladehemmung. Der Finger klemmt am Abzug. Entsprechend durchwachsen fällt auch Schuberts Fazit aus: "Es ist schon okay, wenn man sieht, dass wir uns in den ersten beiden Partien zwölf, 13 gute Möglichkeiten herausarbeiten. Aber dann ist ein Tor nach einer Standardsituation einfach zu wenig, das muss man schon sagen."

+++ St. Pauli wacht zu spät auf - nur Remis gegen Ingolstadt +++

Es ist allerdings nicht allein die Kaltschnäuzigkeit, die den Hamburgern bislang abgeht. "Ich will keinen verurteilen, die Stürmer ärgern sich ja selbst am meisten. Es läuft allgemein noch nicht rund, die Rädchen greifen nicht ineinander", konstatiert Mannschaftskapitän Fabian Boll. Im Erzgebirge wie am Millerntor war noch keine klare Linie erkennbar. Doch auch wenn durchgängig durchdachte Spielzüge aus der eigenen Hälfte bis in den gegnerischen Strafraum zu diesem frühen Saisonzeitpunkt noch nicht in Serienproduktion erwartet werden können, müssen gerade die Mittelfeldspieler das neue 4-4-2-System wesentlich effektiver interpretieren. Die Zehnerposition gibt es nicht mehr, für das kreative Moment scheint sich aber bislang weder Dennis Daube noch Fin Bartels verantwortlich zu fühlen, Florian Bruns konnte dem Anspruch zumindest in Aue ansatzweise gerecht werden. "Wir müssen aggressiver verteidigen, unsere Chancen besser nutzen und aus dem Mittelfeld heraus mehr Torgefahr entwickeln. Du wirst im Spiel nicht belohnt, wenn du den Ball nur von links nach rechts verteilst", weiß Schubert.

Geduld ist gefragt. Beim Trainer wie bei den Fans, von denen am Sonnabend 18 309 im Stadion waren, 4000 davon auf der neuen Gegengeraden. "Ich war schon ein wenig angespannter als sonst", berichtete Florian Mohr von seinem Heimdebüt, das er mit einer starken Leistung erfolgreich gestaltete und mit seinem Ausgleichstreffer (56.) eine Minute nach der Führung durch Eigler veredelte. Nicht zufällig war es ein Abwehrspieler, dem der erste und bislang einzige Treffer gelang. "Wir Innenverteidiger können nur bei Standardsituationen helfen, aber Flo Mohr hat einen guten Offensiv-Kopfball", hatte Markus Thorandt am Vortag der Partie geradezu seherische Fähigkeiten bewiesen und versuchte sich im Anschluss an das 1:1 als Philosoph: "Mit jeder Chance, die wir vergeben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir wieder treffen." Positives Denken, zumal die vermeintliche Aufstiegskonkurrenz aus Berlin, Köln, Ingolstadt, Bochum, Dresden oder Kaiserslautern bislang auch nicht schadlos blieb, keine Mannschaft gewann beide Auftaktpartien. "Es ist noch nicht viel passiert", stellt Thorandt mit Blick auf die Tabelle fest. Was allerdings auch für das Verhalten der Mannschaftskollegen vor dem gegnerischen Tor gilt.

Die Statistik

St. Pauli: 13 Tschauner - 27 Kalla, 24 Mohr, 16 Thorandt, 2 Kringe - 6 Daube, 17 Boll - 8 Bruns (ab 51. Gogia), 22 Bartels - 18 Thy (ab 68. Saglik), 9 Ebbers (ab 82. Ginczek). - Trainer: Schubert

Ingolstadt: 1 Özcan - 21 da Costa, 33 Biliskov, 26 Gunesch, 3 Andreas Schäfer - 20 Groß (ab 62. Knasmüller), 34 Matip - 6 Leitl, 14 Korkmaz (ab 62. Ikeng)- 31 Caiuby, 18 Eigler (ab 89. Schäffler). - Trainer: Oral

Schiedsrichter: Christian Dingert (Lebecksmühle)

Zuschauer: 18.300

Tore: 0:1 Eigler (55.), 1:1 Mohr (56.)