Heute findet das Gespräch beim Innensenator über Krawalle beim Hallenturnier statt. Kritik an Polizei, Gewerkschaft rügt den FC St. Pauli.

Hamburg. Täglich gab es immer wieder neue Schuldzuweisungen. Die Vorfälle vom vergangenen Freitag in der Sporthalle, als das 26. Hamburger Hallenfußballturnier wegen eskalierender Fangewalt zwischen Anhängern des VfB Lübeck und des HSV auf der einen und des FC St. Pauli auf der anderen Seite abgebrochen wurde, zogen unterschiedliche Schlüsse nach sich. Jede Seite verkündete ihre eigene Version vom Hergang des mit 74 Ingewahrsam- und zwei Festnahmen sowie 90 Verletzten schlimmen Abends. Eine Schuldfrage - viele Antworten. Für heute, 12.30 Uhr hat Innensenator Michael Neumann (SPD) an den "runden Tisch" ins Rathaus geladen. Gemeinsam mit Neumann sollen Vertreter des FC St. Pauli und der Polizei, Gremienmitglieder des Hamburger Fußballverbands und des Hamburger Sport-Vereins sowie Turnierveranstalter Peter Sander ergebnisoffen die Konsequenzen der Vorfälle diskutieren. Fanvertreter wurden anders als erwartet nicht eingeladen.

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Möglicherweise werden sich die Beteiligten zunächst über die gegenseitigen Schuldzuweisungen austauschen. Nachdem Kuno Lehmann, Leiter der Zentraldirektion der Polizei, am Dienstag im Innenausschuss der Bürgerschaft noch einmal heftige Kritik am FC St. Pauli geübt hatte, zog die Gewerkschaft der Polizei gestern nach: "Da stellt sich der Präsident dieses Fußballklubs hin und behauptet, kein Fanproblem zu haben. Wer eine solche Aussage macht, muss in den letzten Jahren tief und fest geschlafen haben! Die Verantwortlichen sind sich nicht zu schade, der Polizei die Schuld an den Gewaltausbrüchen zuzuschieben. So liefern sie den kriminellen Gewalttätern auch noch eine Rechtfertigung. Das ist der eigentliche Skandal! Nach der Diktion des Präsidenten des FC St. Pauli hat die Hamburger Polizei ein Gewaltproblem, nicht aber die liebenswürdigen ,Fans' seines Vereins, die sich immer nur verteidigen müssen. Diese Darstellungen wurden von Kuno Lehmann eindrucksvoll widerlegt", heißt es in einer Erklärung des Landesbezirksvorstands.

Lehmanns Vortrag, der das Sicherheitskonzept der Polizei verteidigt hatte, wirft indes Fragen auf. Am Sonnabend hatte Einsatzleiter Robert Golz im Radiosender NDR 90,3 von "120 Fans des VfB Lübeck, verstärkt durch etwa 40 Fans des HSV", gesprochen, die "relativ schnell in der Halle an allen möglichen Orten die Konfrontation mit den St. Paulianern gesucht" hätten. Lehmann hingegen kam zu dem Schluss, dass "die ersten Gewalttaten eindeutig von St. Paulianern ausgingen, nicht von Lübeckern". Nicht die einzige Stelle, an der sich die Schilderungen der Beamten unterscheiden. "Was Lehmann vor dem Innenausschuss erzählt hat, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten", schreibt Abendblatt-Leser Heiko Schulz. Lehmann könne ihm ja mal unter vier Augen die Gründe für die "Behandlung" seines minderjährigen Sohnes nennen. Ähnlich auch Abendblatt-Leser Georg Mathiszig: Die Polizei habe Reizgas gegen Kinder eingesetzt und Verletzten Hilfe verweigert. Zudem seien seine zwei Kinder von Beamten verletzt worden. Die Polizei erklärte, es sei ausschließlich Pfefferspray eingesetzt worden, das einen gezielten Einsatz ermögliche. "Es waren aber auch Unbeteiligte betroffen, das bedauern wir", so Polizeisprecher Mirko Streiber.

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Einen weiteren Diskussionspunkt dürften heute auch die rassistischen Parolen aus dem Lübecker Block einnehmen. Abendblatt-Leser Mathiszig fragt, weshalb die Beamten faschistische Gesänge der Lübecker geduldet hätten. Streiber: "Wir haben Schmährufe wahrgenommen, aber keine mit rechtsradikalem Inhalt." Gegen einen Lübecker, der den Hitlergruß gezeigt haben soll, hat Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion "Die Linke", jetzt Strafanzeige erstattet. Einen Strafantrag wegen rechtsradikaler Parolen hat auch der Zentralrat der deutschen Sinti und Roma gestellt. Demnach hätten einzelne Personen aus dem Lübecker Block Hetzparolen wie "Zickzack, Zigeunerpack" skandiert. "Wir erwarten, dass die Staatsanwaltschaft die Täter ermittelt, die die Gesänge angestimmt haben", so Arnold Roßberg, juristischer Mitarbeiter des Zentralrats.

Umgehende Ergebnisse erwartet auch der Fanklubsprecherrat des FC St. Pauli. "Der vom Innensenator einberufene runde Tisch darf nicht nur zu den üblichen Lippenbekenntnissen führen. Der Schweinske-Cup kann in dieser Form nicht wieder in dieser Halle stattfinden", sagt Ratsmitglied Tom Stapelfeld, "es ist weiterhin nicht hinnehmbar, dass Hunderte Menschen mit Zivilcourage ihr Leben gefährden, indem sie sich gegen Nazis gerade machen. Ich erwarte, dass die Freie und Hansestadt Hamburg ihren sogenannten Polizeichef ablöst. Wer wie er öffentlich Gewalt durch die Staatsmacht rechtfertigt, kann kein Gesprächspartner auf Augenhöhe sein." Was an der Rolle Neumanns als Gipfelgastgeber nichts ändern wird.