Der eingewechselte Mahir Saglik sichert seiner Mannschaft mit zwei Toren drei Punkte gegen Rostock, bleibt aber bescheiden. Winkt jetzt die Startelf?

Rostock. Mahir Saglik hatte die falsche Entscheidung getroffen. Nach seinem Kopfballtreffer zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung für den FC St. Pauli war er wie entfesselt losgerannt, die Arme weit ausgebreitet, und freute sich innerlich wohl schon auf die Umarmungen und Glückwünsche seiner Kollegen. Doch er war in die falsche Richtung gelaufen, und sein Torjubel wurde von tief fliegenden Bananen von der Hintertortribüne unterbrochen. Saglik stoppte seinen Jubellauf, nahm die Arme zu einer beschwichtigenden Geste runter, zog den Kopf ein und brachte sich schnellstmöglich aus der Wurflinie. Am Ende war ihm egal, dass er seinen dritten und später folgenden vierten Saisontreffer nicht gebührend hatte feiern können. Saglik war rundum zufrieden - mit sich und dem 3:1-Sieg seiner Mannschaft bei Hansa Rostock. Die beiden Tore des Jokers sicherten den Erfolg, mit dem der FC St. Pauli auf Tuchfühlung zu den Aufstiegsrängen bleibt.

Noch vor wenigen Wochen hatte es den Anschein gehabt, als hätte auch der Verein eine falsche Entscheidung getroffen. Nämlich als er Mahir Saglik zum FC St. Pauli geholt hatte. Der aus Bochum gekommene Stürmer ist ein alter Bekannter von Trainer André Schubert, der die Qualitäten des 28-Jährigen zu gemeinsamen Zeiten beim SC Paderborn, als Saglik 15 Saisontore erzielte, kennen- und schätzen gelernt hatte. Doch nach einem wenig erfolgreichen Jahr beim VfL Bochum kam der Türke auch beim FC St. Pauli nicht recht in Schwung. Er traf in Freundschaftsspielen, zeigte bei seinen ersten Pflichtspieleinsätzen jedoch nur wenige Erfolg versprechende Ansätze. Am gesunden Marius Ebbers vorbeizukommen, daran war für Mahir Saglik nicht zu denken. Schubert lobte zwar immer wieder die Trainingsleistungen des gebürtigen Paderborners, als Sturmspitze schickte er zuletzt jedoch den wieder genesenen Deniz Naki ins Rennen, um den erneuten Ausfall von Ebbers zu kompensieren. Saglik musste sich mit dem Platz auf der Bank begnügen. So auch am Sonnabend in Rostock.

Saglik ist ein ruhiger, besonnener Profi, der ohne Starallüren auskommt. Er kann sich unterordnen und akzeptiert die Entscheidungen seines Trainers. Sein Selbstbewusstsein hat er durch die Rückschläge nie verloren. Schon vor Wochen sagte er, dass seine Zeit noch kommen werde. Ein erstes Ausrufezeichen setzte Saglik bereits vor zwei Wochen im Spitzenspiel gegen Greuther Fürth (2:2), als er nach seiner Einwechselung eine starke Partie ablieferte und die wichtige Führung erzielte. Auch diesmal traute Schubert seinem Joker zu, das Spiel zu entscheiden. Rostock hatte sich nach der frühen Roten Karte gegen Tom Weilandt, der nach einem unkontrollierten Ellbogenstoß ins Gesicht von Fabio Morena des Feldes verwiesen wurde, zwei dicht gestaffelte Viererketten vor dem eigenen Strafraum aufgebaut. St. Pauli tat sich schwer, Lücken zu finden. "Die Überlegung war, dass Mahir gerade auf engem Raum seine Stärken hat und den Gegner auch mal aussteigen lassen kann", begründete Schubert Sagliks Einwechselung für den mit dieser Entscheidung offensichtlich unzufriedenen Naki.

Doch Saglik offenbarte neben seiner Dribbelstärke noch eine weitere, bisher unbekannte Qualität. Der 1,78 Meter große Stürmer setzte sich nach einer Freistoßflanke von Florian Bruns im Strafraum gegen die weitaus höher gewachsene Deckung der Gastgeber durch und traf per Kopf zur erneuten Führung. "Ich habe in meiner Karriere schon einige Kopfballtore gemacht", sagte Saglik, "das ist auch eine Willenssache. Und ich wusste, wo Flo den Ball hinspielen würde."

Saglik ist ein Vollblutstürmer, der als Unruhestifter im Strafraum für jeden Gegner ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellt und der - manchmal von übertriebenem Eigensinn getrieben - jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um aufs Tor zu schießen. So auch beim dritten Treffer der Hamburger. Bartels und Kruse hatten in aussichtsreicher Position den Abschluss verweigert und den Ball ihrem Nebenmann zugeschoben. Saglik, das letzte Glied in dieser Querpasskette, legte sich Gegner und Ball zurecht und schob das Leder überlegt in die linke Torecke, obwohl sich seine Sturmkollegen unterdessen wieder in eine bessere Position gebracht hatten.

"Mahir kommt rein, hat zwei Chancen und macht zwei Tore. Der ist total abgezockt", sagt Naki über seinen Sturmkollegen, der seinen Torriecher gern auch mal wieder über die volle Distanz unter Beweis stellen würde. Bisher kommt der Türke lediglich auf vier Startelfeinsätze, nur einer davon über 90 Minuten. Doch auch nach seinem ersten Doppelpack für den Kiezklub bleibt Saglik bescheiden. "Ich mache mir keine Gedanken um einen Stammplatz", sagt er. "Es ist doch klar, dass jeder spielen will, aber ich möchte keine Forderungen stellen."