Nach 149 Tagen ohne einen Sieg zeigt der FC St. Pauli unter André Schubert beim 2:0 gegen den FC Ingolstadt in Lübeck sein neues Gesicht.

Lübeck. Zumindest das eine Ritual haben sie beibehalten. Nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Michael Weiner, kurzem Jubel und dem obligatorischen Abklatschen versammelte sich die Mannschaft samt Trainer- und Funktionsteam auf dem Feld, Arm in Arm standen sie da und lauschten den Worten des Coaches. Ein Bild, das man aus der jüngsten Vergangenheit gewohnt war - und eines der wenigen Relikte, die nach dem Neustart zum Auftakt in die Zweitligasaison noch Bestand haben. Der Trainer, der nach dem letztlich überzeugenden 2:0-Erfolg über den FC Ingolstadt zu seiner Mannschaft sprach, heißt nun André Schubert, die Umgebung war in diesem besonderen Fall ungewohnt, da das Heimspiel als Strafe für den Bierbecherwurf in der vergangenen Saison an der Lübecker Lohmühle ausgetragen werden musste statt im heimischen Stadion am Millerntor. Und die Liga ist zwar bekannt, aber im Vergleich zur vergangenen Saison eben auch anders. Doch das sind nur die offensichtlichen Veränderungen. Vieles ist neu beim FC St. Pauli.

"Ich hoffe, dass das jetzt wirklich der Neustart war, die vergangene Saison muss gegessen sein", sagt André Schubert, der Vergleiche mit seinem Trainervorgänger und der Bundesligasaison noch nie mochte.

Er selbst trägt einen großen Teil dazu bei, der Mannschaft ein neues Gesicht zu verpassen und die jüngste Vergangenheit aus dem Fokus zu drängen. Nicht nur dass der FC St. Pauli zum ersten Mal nach 149 Tagen und zwölf Partien ohne Sieg wieder gewinnen konnte, auch die Art und Weise, wie Schubert Fußball spielen lässt, ist neu.

Die Grundausrichtung, offensiv zu spielen, viel Ballbesitz zu haben und mit schnellen, kurzen Pässen zu kombinieren, ist zwar gleich geblieben. Und doch hat Schubert einige entscheidende Veränderungen in der taktischen Ausrichtung seiner Mannschaft vorgenommen. Er lässt mit nur einem zentralen Mittelfeldspieler vor der Abwehr spielen, um mit fünf offensiven Akteuren variabler agieren zu können. Dadurch verlangt er der Offensivabteilung viel Laufbereitschaft in der Umkehrbewegung nach hinten ab. Er hat Charles Takyi, seit eh und je als Regisseur im Mittelfeld unterwegs, in die vorderste Spitze beordert, und er verlangt von seinen Innenverteidigern, dass sie konsequent Druck auf ihre Gegenspieler ausüben und notfalls bis an die Mittellinie verfolgen. "Die Positionen aufzugeben erfordert Mut der Innenverteidiger, bringt uns aber noch mehr Ballgewinne", erklärt Schubert seine aggressive Strategie, die insbesondere der starke Lasse Sobiech konsequent umsetzte.

Insgesamt sei er zufrieden mit dem ersten Pflichtspielauftritt seiner Mannschaft, sagte Schubert. "Ich bin froh über den guten Start. Es war ein wichtiger Sieg, der Mechanismen auslösen kann, die uns voranbringen." Der 39-Jährige betonte aber auch, dass er mehr Dinge gesehen habe, die die Mannschaft besser machen könne, als solche, die sie richtig gemacht habe. "Im Spielaufbau waren wir zu ungeduldig und haben zu früh und zu oft lange und halbhohe Bälle gespielt", sagte er. Auch die Offensivabteilung vergab einige aussichtsreiche Situationen durch falsche Entscheidungen und überhastete Abspiele. "Wir haben der Mannschaft in den vier Wochen der Vorbereitung sehr viel Neues mitgegeben, da ist es normal, dass sich noch einiges automatisieren muss."

Abgesehen von den taktischen und systematischen Veränderungen hat sich auch das Auftreten einiger Spieler geändert. Jan-Philipp Kalla, unter Stanislawski meist auf dem Abstellgleis, trat gegen Ingolstadt mit breiter Brust auf und war enorm spielfreudig, Deniz Naki wird trotz einiger überdrehter Aktionen mehr und mehr zur wichtigen Anspielstation im Mittelfeld, und Fabian Boll trifft auf einmal doppelt.