St. Paulis Sportchef Helmut Schulte spricht im Abendblatt-Interview über Abstiegstrends, Ponyhöfe der Profis und die Zukunft seines Trainers.

Hamburg. Eine Woche lang war er am Boden. Nicht aufgrund der unglücklichen 1:2-Niederlage gegen den VfB Stuttgart, nein. Eine hartnäckige Grippe diktierte dem Sportchef des FC St. Pauli sieben Tage Bettruhe. Nun, nach dem neuerlichen 1:2, diesmal in Frankfurt, ist er wieder zurück auf der Geschäftsstelle und versprüht trotz der mittlerweile fünften Pleite in Folge mehr als nur Zweckoptimismus.

Hamburger Abendblatt: Herr Schulte, wie geht es Ihnen?

Helmut Schulte: Danke, der Trend ist positiv und wird hoffentlich schnell zum erhofften Ziel führen. Genauso verhält es sich mit der Mannschaft.

Fünf Niederlagen als positiver Trend?

Schulte: Nein, aber die Leistungskurve zeigt nach oben. Ich hoffe, dass wir jetzt die nötigen Ergebnisse erzielen. Von den Möglichkeiten her stehen wir auf Platz 18, aber aktuell sind die Top 15 das Ziel, vielleicht müssen wir jetzt auch mit den Top 16 zufrieden sein.

Was ist dafür nötig?

Schulte: Dass wir als Aufsteiger mal mit fünf Niederlagen rechnen müssen, ist zwar nicht schön, war uns aber klar. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Es gibt nur eine Möglichkeit: Ruhe bewahren, weiterarbeiten und 100 Prozent auf die individuelle Aufgabe konzentrieren. In den letzten beiden Partien haben wir uns durch individuelle Fehler um mindestens zwei Punkte gebracht. Unser Lernprozess dauert bereits 27 Spiele, und der geht noch bis zum Ende der Saison. Jeder ist aufgefordert, Woche für Woche diese Entwicklung mitzumachen und zu zeigen, dass er ein Bundesligaspieler ist. Wir dürfen nicht vergessen, wie es ist, Spiele zu gewinnen, und müssen unseren Glauben an die eigenen Stärken bewahren. Die hat jeder Spieler in dieser Saison unter Beweis gestellt. Wir dürfen nur auf die nächste Aufgabe schauen. Alles andere lenkt ab und stört. Das klingt theoretisch, aber es ist der einzige Weg.

Inwiefern lenken da die Gerüchte um Holger Stanislawski ab? Überrascht Sie das Interesse anderer Vereine?

Schulte: Mich überrascht nach 25 Jahren im Profifußball sehr, sehr wenig. Und diese ganzen aufgeblasenen Gerüchte, da gebe ich nichts drauf.

Gehen Sie davon aus, dass er als Trainer beim FC St. Pauli bleibt?

Schulte: Natürlich. Er hat einen Vertrag bis 2012, und den wird er auch erfüllen. Das ist eine ganz einfache Geschichte. Es sei denn, er kommt auf uns zu und sagt, dass er sich hier nicht mehr wohlfühlt. So einfach ist das. Ganz einfach.

Dann könnte er doch ein klares Bekenntnis zum Klub abgeben.

Schulte: Das hat er mit seiner Vertragsunterschrift getan. Er muss das doch nicht jeden Tag wieder neu sagen. Wir haben hier im sportlichen Bereich 30, 40 Leute unter Vertrag, die alle nicht zur Unterschrift gezwungen wurden. Es ist auch eine Sache von Anstand und Moral. Wenn sich jemand tatsächlich nicht mehr wohlfühlen sollte, dann kann er jederzeit kommen. Das gilt für den Zeugwart genauso wie für Spieler, Sportchef und Trainer. Aber mich interessieren Fakten. Ich kann nicht bei jeder Personalie überlegen, ob da einer in drei Stunden, drei Monaten oder drei Jahren vorbeikommt, um mit mir über seine Vertragsauflösung zu sprechen.

Gibt es dennoch einen Plan B?

Schulte: Wir haben immer einen Plan B.

Sie machen sich Gedanken, welcher Trainer hier als Nachfolger passen könnte?

Schulte: Nein.

Was ist denn dann der Plan B?

Schulte: Dass wir wissen, dass wir immer die richtige Entscheidung treffen werden. Jetzt mal im Ernst: Hier wird auf vielen Ebenen gute Arbeitet geleistet. Da ist es das Normalste von der Welt, dass die Protagonisten in den Fokus anderer Klubs geraten. Nur wenn einer einen Vertrag hat, dann gehe ich davon aus, dass er ihn auch erfüllt. Dafür werden Verträge gemacht.

Wann unterschreibt denn der nächste Spieler einen Vertrag?

Schulte: Ich telefoniere mit vielen Spielern und vielen Beratern. Und ich führe viele interne Gespräche. Wir werden unseren Weg weitergehen und Kontinuität beim Stammpersonal erhalten.

Wo spielt der von Leverkusen ausgeliehene Bastian Oczipka ab Sommer?

Schulte: Das hängt vom Spieler ab.

Wie meinen Sie das?

Schulte: Kein Verein wird einen Spieler holen, der da gar nicht spielen will.

Bleibt Thomas Kessler, Kölner Leihgabe, über das Saisonende hinaus?

Schulte: Ich gehe davon aus, dass Michael Rensing in Köln bleibt und Thomas weiter bei uns Fußball spielt.

Über Max Kruse war zu lesen, dass seine Gehaltsvorstellungen sich nicht mit denen des Vereins decken. Richtig?

Schulte: Davon weiß ich nichts. Generell gilt: Wenn es bei Profis gut läuft, warten sie gern ab mit Vertragsgesprächen. Die Spieler wollen sich immer alle Optionen offenhalten und wünschen sich einen Ponyhof. Die EU hat mit dem Bosman-Urteil vor 16 Jahren ja dafür gesorgt, dass dieser immer größer wird.

Auf welchen Positionen fahnden Sie?

Schulte: Wir sind froh, dass wir mit Ausnahme von Oczipka, Kruse und Gunesch alle Leistungsträger für beide Szenarien, Bundesliga und Zweite Liga, unter Vertrag haben. Solange wir mit den dreien nicht verlängert haben, schauen wir uns vor allem auf diesen Positionen um. Fest steht, dass wir unseren Kader auf maximal 25 Spieler verkleinern.

Wie schwer ist es, aufgrund der Ungewissheit zweigleisig planen zu müssen?

Schulte: Wenn man das beklagt, dann hat man es nicht verstanden, was es bedeutet, beim FC St. Pauli zu arbeiten. Ich beneide auch meinen Kollegen bei Bayer Leverkusen, der schon am ersten Spieltag weiß, dass er auch in der nächsten Saison Bundesliga spielt. Aber so ist es bei uns nicht. Ich nehme das so hin.