Die Spieler dominieren Wolfsburg eindrucksvoll und lassen nur eine Torchance zu, müssen sich am Ende aber mit einem 1:1-Remis begnügen.

Hamburg. Wolfsburgs Abwehrspieler Simon Kjaer zieht sich sein verschwitztes Trikot aus und will es den pfeifenden VfL-Fans als Dank für die Unterstützung über den Absperrzaun werfen. Vergeblich. Nicht einmal nach dem Spiel greifen die Automatismen. Der Däne scheitert aus vier Metern Entfernung ähnlich kläglich wie seine Mannschaft während der 90 Minuten zuvor. Dass der Fehlversuch auswärts beim FC St. Pauli am Ende dennoch mit einem Punkt belohnt wurde, war einer einzigen Unachtsamkeit der Hamburger geschuldet, die den Gegner beim 1:1 ansonsten vom An- bis zum Abpfiff eindrucksvoll dominierten.

Bereits zur Pause hatten die Statistiker ein Chancenverhältnis von 5:0 gezählt. Leidenschaftlich und entschlossen störte die Mannschaft von Holger Stanislawski den Gegner, der mit einem großer Laufbereitschaft geschuldeten Hochgeschwindigkeitstempo bearbeitet wurde und seine spielerischen Qualitäten somit nicht entfalten konnte. Wolfsburg, ohne den wegen muskulärer Probleme fehlenden Torjäger Grafite angetreten, enttäuschte am Millerntor auf ganzer Linie. "Wir haben Stanis Forderung gut umgesetzt, die gegnerische Spieleröffnung gestört und verhindert", klopfte sich Markus Thorandt auf die Schulter. Der Abwehrspieler, in Trainingsspielen stets mit einigen erfolgreichen Torabschlüssen auffällig, traf in der 28. Minute mit dem Kopf zur verdienten 1:0-Führung.

Ein Erfolg mit System schien sich anzubahnen. Der Trainer hatte nicht nur die richtige Rezeptur bei der Bearbeitung der Wolfsburger Offensivkräfte parat gehabt, er sorgte mit einer taktischen Umstellung und neuer Ausrichtung für neuen Schwung im zuletzt schleppend vorgetragenen Spiel nach vorn. Statt vor der Abwehr drehte Matthias Lehmann diesmal im 4-1-4-1-Schema neben Gerald Asamoah im roten Drehzahlbereich. "Das Zusammenspiel mit ihm klappte sehr gut, dadurch haben wir das Zepter in der Hand halten können", outete sich Nebenmann Fin Bartels als Fürsprecher. "Entscheidend war, dass heute eine neue Marschroute eingeleitet wurde", strich auch Rechtsverteidiger Carsten Rothenbach heraus ohne dabei zu erwähnen, dass er mit großem Offensivdrang tatkräftig selbst daran beteiligt gewesen war.

Auch im zweiten Abschnitt hielt St. Pauli das Tempo hoch, die 24 150 Zuschauer und die Spieler entwickelten eine anstiftende Wechselwirkung. Bedingungslose Anfeuerung, an der sich sogar die warm laufenden Ersatzspieler immer wieder beteiligten, und aufopferungsvoller Kampf auf dem Rasen sorgten für permanente Unruhe und großen Druck. "Das Experiment, offensiv zu spielen, ist geglückt", befand Thorandt und lag damit generell richtig. Allerdings hätte die Überlegenheit früh zu einer beruhigenden Führung genutzt werden müssen. "Wir sind nicht konsequent genug", legte Stanislawski den Finger in die weiterhin offene Wunde. Fünf Partien ist die Offensivabteilung nun bereits ohne Torerfolg. Angreifer Marius Ebbers köpfte an die Latte, nachdem Asamoah eine Woche zuvor gegen Leverkusen am Pfosten gescheitert war. Überhaupt keinen Treffer hatte es in Stuttgart gegeben (0:2), keinen auf Schalke (0:3) und auch keinen Ertrag gegen Leverkusen (0:1). Beim 1:3 gegen Eintracht Frankfurt hatte Innenverteidiger Carlos Zambrano getroffen, nun also dessen Partner im Abwehrzentrum, Markus Thorandt.

Im Ergebnis standen nach 90 Minuten 18:3 Torschüsse und 10:1 Torchancen. Zwei Ausrufezeichen, die am Ende dennoch zum Punkt verkamen, da Diego und Edin Dzeko die einzige Unachtsamkeit in der Hamburger Hintermannschaft böse bestraften (54.) und den zweiten Heimsieg der Saison verhinderten. "Das darf nicht passieren. Wir müssen das Zentrum da zumachen", ärgerte sich Stanislawski, der ansonsten aber hoch zufrieden sein konnte: "Das war eine ansprechende Leistung. Wir werden da am kommenden Sonntag in Bremen weitermachen." Lobende Worte für eine hervorragende Mannschaftsleistung, die sich auch in den Analysen des Gegners widerspiegelte. "Wir haben überlebt", sagte Wolfsburgs englischer Trainer Steve McClaren martialisch und blies die geröteten Backen auf. "Das war das Maximale, was hier für uns heute drin war", musste auch Manager Dieter Hoeneß achselzuckend eingestehen.

Die klaren Kräfteverhältnisse sorgten nach dem Abpfiff bei eigentlich allen Beteiligten für einheitliche Spielbeurteilungen. Unentschieden war am Ende nur der Spielausgang.